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All diese Jahrzehnte hindurch ist mit zunehmender Häufigkeit vom „gemeinen Nutz“ die Rede, von der Gesamtheit und ihren Interessen, die Alles überwiegen, Allem vorgehen sollen.

Es ist eine allgemeine Anschauung, welcher bei Einzelnen ein sicheres munizipales Bewußtsein und ein Stolz antworten, stark und hingebend genug, um sie auch zu freien Opfern an die Stadt zu vermögen. Dies geschieht jetzt in der Tat. Die traditionellen Vergabungen der Devotion an die Kirche erhalten eine Parallele in Stiftungen, die nicht dem eigenen Seelenheile dienen sollen, sondern dem Heile des Gemeinwesens und der Ehre der Republik. Ganz vereinzelt ist eine solche Vergabung schon einmal vorgekommen: 1370 im Testamente des Hugo Zscheckabürlin. Dessen Legat von sieben Pfunden an den Rat ad faciendum vias et hujusmodi necessaria ist unverkennbar italiänische Reminiszenz und wird erst hundert Jahre später wieder aufgenommen im Vermächtnis eines Harnischs durch Hans Strübli 1467. Dann aber häufen sich die Legate guter Bürger an die Stadt: 1475 des Heinrich von Äsch, 1476 der Domkapläne Vischer und Blauenstein, 1490 des Walter Baumgartner, 1505 des Niklaus Rüsch usw.; Peter Breitenbach und seine Ehefrau machen 1485 die Stadt zu ihrer Universalerbin.

Die Auffassung von Recht und Macht des kollektiven Lebens, von der Pflicht des Einzelnen seine Kräfte in den Dienst der Gesamtheit zu stellen, hat aber auch noch andre Ergebnisse. Aus ihr wächst in eben dieser überreichen und übermächtig bewegten Zeit der Kampf gegen bevorrechtete Klassen und Stände, der Kampf im Gewerbe gegen alles willkürliche Freisein und Großsein, der Widerstand gegen ein individuelles Handeln des Einzelnen in öffentlichen Dingen durch Pensionenwesen und Reisläufertum, die auf den Gebieten von Universität und Kirche sich erhebende Gährung gegen alle Privilegien.


Uns fesselt die Erscheinung einer nicht ermüdbaren Kraft, die überall webt und waltet: auf den politischen sozialen gelehrten Kampffeldern, in der gesamten Reformbewegung, im stolzen Selbstgefühl des Kaufherrn Buchdruckers u. dgl., in der Überzeugung vom Werte der einzelnen Leistung für das Gemeinwesen, im Suchen und Schaffen neuer Lebensformen, in der wissenschaftlichen Forschung, in der künstlerischen Tat, im Genießen, im übeln Tun. Es ist ein großes Schauspiel alles Dessen, das sich gesund und stark fühlt, und des schrankenlosen Wollens.

Bei so elementarem Hervorbrechen der Lebensmächte fällt uns ein Erfassen von Einzelnem schwer. Wir haben eine Gesamterscheinung vor

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 940. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/419&oldid=- (Version vom 4.8.2020)