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scheinender Macht nach wie vor dahingeht; den Hintergrund bildet, oft mit den schwülsten Finsternissen schreckend, eine Zeit voll Pein und Ahnung.

Von einziger Gewalt ist nun, wie um die Mitte der 1490er Jahre diese ganze Stimmung zusammengefaßt wird in einigen mächtigen Manifesten der Geistlichkeit.

In ihnen lebt derselbe Geist, der vordem den Heynlin seine Mahnungen und Zurechtweisungen an die hohe Obrigkeit richten ließ. Vor Allen werden jetzt die Mitglieder des Rates selbst aufgefordert, in sich zu gehen und von ihren Sünden zu lassen; sie sollen das Gleiche von ihrem Volke verlangen; sodann erhält das Domkapitel dieselbe Mahnung; von jeder Kanzel der Diözese endlich soll zur Buße gepredigt werden; Prozessionen Kasteiungen Gebete haben sich anzuschließen. Alles, um den in der Not dieser Zeit sich offenbarenden Zorn Gottes zu versöhnen. Denn Gott sei nicht dem Sünder gnädig, sondern dem der Buße tue.

Daß der auf solche Art apostrophierte Rat entsprechend handelt, ist begreiflich. Aber in bedeutsamer Weise tut er es als Stadtherr. Keinen Hauch der in den Eingaben ihm gepredigten Bußgesinnung bekommen wir zu spüren.

Im Frühjahr 1498 erläßt er eine große „Reformationsordnung“ und stellt an ihre Spitze die Erwägung, daß Städte, in denen der eigne Nutzen dem gemeinen Gut vorangesetzt, der Gehorsam verweigert, Neid und Haß im Verborgenen genährt, das Unrecht nicht gestraft, die Unordnung nicht beseitigt werde, an Ehren Tugenden und beständlichem Wesen abnehmen. Dann folgen, sorgfältig redigiert, mit strengen Strafbestimmungen, die Abschnitte von Schwören und Gotteslästerung, von Haltung der Eide, von Heiligung der Feiertage, vom Ehebruch, vom Spiel, vom Zutrinken. Zum ersten Male findet sich hier, unter dem modernen Schlagworte „Reformation“, das bisher in Beschlüssen und Edikten zerstreute Recht systematisch zusammengefaßt und einheitlich redigiert. Auch die Art der Veröffentlichung im Drucke zeichnet das Mandat aus; es ist das erste dieser Art.

Indem der Rat eine solche sittenpolizeiliche Maßregel großen Stils ins Werk setzt, löst er sie aus dem Zusammenhange seiner bisherigen, der kirchlichen Regeneration verwandten Vorschriften; er macht sie zu einem Teile der profanen, rein städtischen Reformen des öffentlichen Wesens, die das Jahrzehnt bewegen.


Der neue Begriff von Regentenpflichten und Regentenrechten führt den Rat auch noch auf andern Gebieten zum Eingriff in kirchliches Wesen und Herrschen.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 925. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/404&oldid=- (Version vom 4.8.2020)