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an und entwickeln vermöge derselben Energie, die sie aus der Verborgenheit emportrieb, nun hier oben die wirksamsten Kräfte; aber schnell ist es um sie geschehen. Die Zibol Schilling Grieb Sevogel Kilchman finden schon nach wenigen Achtbürgergenerationen ihr Ende. Mit der Schmach des die Stadt bestehlenden Werner Ereman schließt das eine Geschlecht der alten Münzmeister seine Laufbahn, während die Linie Sürlin in der Nachlässigkeit des Pfäffinger Burghauptmanns Dietrich 1446, in der Aussatzkrankheit des Hans 1491, dann in den Roheiten des Lorenz ihre Dekadenz erweist. Die zur Sonnen enden in dem Raubmörder Georg 1461 auf dem Schaffott. Einzig die Offenburg vermögen sich durch längere Zeit auf der Höhe zu halten, wie sie auch physisch von bemerkenswerter Frische und Zähigkeit sind. Ihr Größter, Henman, behauptet sein Wesen auch in der Nähe der Fürsten, während Andre, z. B. Friedrich Kilchman, bei solchem Verkehre sich selbst verlieren.

In den Kreisen der Adligen und der Achtbürger findet sich die höhere Vornehmheit der Stadt beisammen. Sie bilden die Hohe Stube. Eine geschlossene Einheit im öffentlichen Rechte und zumal im Gegensatze zur Plebs. Was aber nicht hindert, daß diese Herren unter sich keineswegs als Gleiche mit Gleichen leben, vielmehr ihrer Standesunterschiede durchaus bewußt sind.

Die Edelgebornen suchen gerade jetzt stärker als bisher ihre Vorrechte durch Betonung und Abgrenzung zu wahren. Es ist die Zeit der Ahnenproben und des neuen Adelsdekretes beim Domkapitel; eine exklusive Gesinnung dieser Art führte schon 1436 beim großen Schaffhauser Turnier dazu, daß dem Henman Sevogel als einem Bürgerlichen und daher Turnierunfähigen der Helm in den Schmutz der Straße geworfen, Heinrich von Ramstein aber wegen seiner Heirat mit Agnes von Efringen durch die ritterlichen Standesgenossen verprügelt wurde; wir sehen in der Tat, daß Allianzen zwischen Edeln und Achtbürgern jetzt seltener sind als vor Jahren. Aber sie kommen immer noch vor. Die der Herzogin Margaretha von Württemberg als Hofdame dienende Dorothea von Baldeck will den Konrad Schönkint durchaus zur Ehe haben, und dem Hans Schlierbach, der im Wirtshause zum Meyen mit Studenten zecht und dabei über die Bürgerfrauen spöttelt, entgegnen die Andern: „Wähnet Ihr, daß Jedermann Grafen- und Rittersweiber haben möge wie Ihr?“

Eine größere Zahl solcher Szenen aus dem Leben würde uns erkennen lassen, wie es mit diesem Leben, mit der Anwendung der gesellschaftlichen Rechte und Satzungen, vor Allem mit den Anschauungen, der

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 901. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/380&oldid=- (Version vom 4.8.2020)