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und Unternehmungslust, überall ist Fernbetrieb, Besuch ferner Märkte, Beziehung nach Außen.

Dem entsprechen die öffentlichen Dinge. Die Stadt, die sich für ihre neue größere Tätigkeit auch äußerlich neu einrichtet, lebt nicht nur in einem ungewöhnlich regen Verkehr mit dem Reiche, mit Kaiser und Städten. Sie hat vor Allem ihre mächtigen Aufgaben am Oberrhein. Und indem sie, Beziehungen zu Bern und Solothurn sowie Zürich bald wieder aufgebend, die angeborne Richtung ihrer Politik Rheinabwärts festhält, bekundet sie die Tendenz zur Führerschaft in diesen Gebieten. Sie handelt hiebei freilich im Jahre 1415 nicht mit derjenigen Rücksichtslosigkeit, die damals dem Interesse der Stadt entsprochen haben würde. Aber im Übrigen sehen wir stets dieselbe Gesinnung alle jene vielartigen Verhandlungen beleben und sich wider Katharina von Burgund, wider Österreich, wider den Rötler Herrn, wider den Nieder-Badener Markgrafen, wider Diebold von Neuenburg bewähren. Der Geist dieser Zeit erscheint in dem damals, mächtigen Feinden zu Trotz und Warnung, errichteten Spalentore verkörpert.

Daß dabei alle öffentliche Ordnung zerrissen ist und ein an sich untergeordnetes, aber in seiner Wirkung verderbliches Fehde- und Raubleben das ganze Umland Basels erregt, ist unvermeidliche Folge der vorhandenen großen Parteiungen und Gegensätze. Aber die Ursache solchen Wesens liegt noch tiefer und ist umfassender. Es handelt sich um allgemeine Verwilderung und Verhärtung des Sinnes; Keiner ist gewöhnt, sich etwas zu versagen. Trotz allen die Stadt erschütternden Bußpredigten Mulbergs und neben den die Stille und Heiligung suchenden Klausnern und Karthäusern kündet sich die Rücksichtslosigkeit eines derben und ganz eigenwilligen Draufloslebens in der allverbreiteten Rauflust und Roheit, die dem Rate damals unaufhörlich zu tun gibt, aber auch in den Kämpfen des Kuratklerus mit den Mendikanten, in den Stürmen die zuletzt durch die Vernichtung der Beginen sich befriedigen, und in der Oligarchie der Ehrenfels und zum Angen so gut wie in den wilden Aufruhrbewegungen der Zünfte. Die Erhebung eines Ammeisters und die dieser antwortende große Sezession von Adel und Patriziat zeigen die Höhe des politischen Haders.

Das Bild der Zeit würde unvollständig sein, wenn wir ihm nicht noch Andersgeartetes beifügten. Jene Sezession ist vielleicht das letzte ganz umfassende und vorbehaltlos proklamierte Zusammensein von Adel und vornehmer Bürgerschaft. Was sich hiebei als Vorstellung eines höhern gesellschaftlichen Daseins ergibt, findet seine volle Bestätigung durch Nachrichten von der Lebensführung dieser Kreise, von ihrem erstaunlich reichen Besitz

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 897. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/376&oldid=- (Version vom 4.8.2020)