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Mann. Um so näher geht uns die Not, mit der sich Basel um seinetwillen belud.

Die Stadt, die den Herzog Karl besiegt, den Adel gedemütigt, den Bischof um Macht und Herrschaft gebracht hatte, kämpfte jetzt mit der römischen Kurie und unterlag. Nirgends sonst in ihren Akten werden alle Gebarungen und Möglichkeiten der kurialen Diplomatie so sichtbar wie hier. Eine Flut von Bullen und Breven ergoß sich, als gäbe es für den Vatikan außer diesem Basler Geschäft keine andere Sorge; und dessen Bedeutung zeigt sich auch in der Entsendung zahlreicher Vertreter und Agenten. Wie diese Männer ausgewählt wurden, wie ihre Instruktionen lauteten, wie sie zur Deckung ihrer Auslagen mit einträglichen Vollmachten für Ablaßverkündung Notarkreierung Dispenserteilung usw. versehen wurden, wie der Eine vom Andern isoliert wurde bis zum geheimen gegenseitigen Überwachungs­ und Desavouierungsauftrag, offenbarte sich eine Kunst der Geschäftsführung, die derjenigen Basels von vornherein überlegen war. Im Einzelnen zeigt uns der Verkehr manches Lebendige: der Basler Rat charakterisiert in ganz offizieller Weise den Peter von Kettenheim als einen ehrgeizigen verlogenen unverschämten Menschen; den Bischof Angelus von Sessa als einen bösartigen Starrkopf, der den Geschäften des Papstes mehr schadet als nützt, die Ratsglieder beleidigt usw. Wenn sich die Nuntien in solcher Weise benahmen, so mochte der Rat ihnen etwa mit derselben Derbheit entgegentreten, mit der er den ersten Gesandten, den Hugo von Landenberg, einen Stallknecht genannt hatte. Aber nichts Kleines war es für die Basler, vom heiligen Vater selbst die Vorwürfe vernehmen zu müssen, daß ihr Benehmen ein freches sei, daß sie in die Tiefen der Sünden versunken seien, ohne Furcht Gottes und eines verhärteten Herzens wie dasjenige Pharaos war. Daß der Rat Gutachten seiner Universität einholt und daß sich sämtliche Parteien nun für ihre Erlasse der modernen Reproduktionskunst bedienen, zeigt, wie die Zeit gewachsen ist und neue Formen darbietet. Alles wird in die Presse gegeben: Bullen Zitationen Appellationen Manifeste usw. In Basel und ringsum in den Landen tragen alle Kirchtüren diese Blätter; wo die Nuntien ihre Interdiktsbefehle u. dgl. anhefteten, läßt sofort der Rat seine Appellation daneben nageln. Fesselnd aber ist auch jetzt die Weite der Beziehungen, das Zusammentreffen der Kräfte aller Welt und ihrer Kabinette an diesem einen Orte Basel, beinahe wie zur Zeit des Konzils. Daher auch jetzt wieder, angesichts dieser allgemeinen Spannung und Erregung, die Sorge um die Sicherheit der Stadt, das Geschlossenhalten von Toren, die Verstärkung der Wachen.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 879. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/358&oldid=- (Version vom 4.8.2020)