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Was den ganzen Vorgang kennzeichnet und ihm auch über die eine Tatsache der Beginenaufhebung hinaus Wert gibt, ist die Massenhaftigkeit der Bewegung, ist die anhaltende Erregung der gesamten Stadt, ist das Mithandeln des Rates. Dem unerbittlichen Vorwärtsdrängen der nur für Ehre und Reinheit der Kirche eifernden Männer gesellt sich allerdings die Gier nach herrenlos werdendem Gut und die Freude an der Demütigung einer vielvermögenden Klostergemeinschaft. Aber nicht dies ist das Entscheidende, sondern der Wille, einem veralteten Wesen ein Ende zu machen und eine Form zu zerbrechen, die vielen Mißbrauch zu schirmen geeignet war. Mit seinem Auf und Nieder, seiner Wucht und Leidenschaft steht das Ereignis als große Inauguration der Regenerationsperiode vor uns.

Während um die Beute gehandelt wurde, ließ sich auch Mulberg wieder vernehmen. Nur daß er jetzt nicht mehr gegen den kleinen Kreis arbeitsscheuer oder ketzerischer Beginen stritt, sondern gegen Alles, was Pflichtvergessenheit und Laster des Klerus überhaupt war.

Aber damit verdarb er sich nun seine Stellung. Daß man ihm vorwarf, dem Gegenpapst Gregor XII. anzuhangen, war wohl nur Vorwand. Der Rat selbst äußerte sich, Mulberg werde von Vielen gehaßt und verklagt, weil er das Unrecht strafe. Jedenfalls war er Manchem ein unbequemer Zanker, mochte auch tatsächlich in seinem Eifer etwa zu weit gehen. So kam es, daß ihm die Kanzel verboten, er selbst ins Exil getrieben wurde.

Wie er nun, eh er die Heimat verließ, vor der verschlossenen Türe des Münsters zum Gebete niederkniete, wie dann die Türe sich wunderbar von selbst auftat und ihm Eintritt ins Heiligtum gab, wird uns als eine Nachtszene voll düstrer Herrlichkeit geschildert.

Vielleicht war es auch ein Ruhebedürfnis Vieler nach den jahrelangen heftigen Kämpfen, das ihn fortgehen hieß. Aber mit ihm wurde doch nicht die Reform preisgegeben.


Wir sehen vielmehr den neuen Geist die kirchlichen Zustände weiterhin erregen.

Auch beim Domstift. Das Statut von 1401 wider das beim Domkapitel eingerissene dissolute Wesen und den Verfall des Gottesdienstes, mit strengen Vorschriften über die Anwesenheit bei der Meßfeier usw., zeigt das Bestreben, aus dem Glanz und Taumel eines zur Gewohnheit gewordenen Lebens das Dauernde zu retten und das Kapitel seines Berufes würdiger zu machen. Es geschah dies unter dem Antrieb einer allgemein wirkenden Kraft; als ihre Träger dürfen wir uns im Kreise dieser Domherren namentlich

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 809. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/288&oldid=- (Version vom 4.8.2020)