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und der Königin Anna im Münster, der Herzoge von Österreich ebenfalls im Münster sowie zu Predigern, im Klingental, im Gnadental, zu St. Klara, an den Steinen. Doch ruhten diese Jahrzeiten schwerlich auf Stiftungen, eher auf freier Gewährung der Kapitel und Konvente, die ihren Dank für Wohltaten, für dauernden Schutz und guten Willen in dieser feierlichen, bis zur Ewigkeit wirkenden Weise zu bezeugen suchten.

Das rührende Gegenstück solcher Feiern voll Glanz und Klang waren dann die Jahrzeiten der Unbekannten, kleiner Leute, deren Gaben aber nicht deren Namen im Jahrzeitbuch, z. B. des Klingentals, eingetragen waren. Gefahr war nicht dabei, wenn nur das Anniversar gefeiert wurde; denn Gott kannte die Namen.

Jährlich an dem in der Stiftung bestimmten Tage, nach geschehener Ankündigung von der Kanzel, wurde die Jahrzeit mit Vigilie und Seelenmesse begangen; an diese Feier im Chore schloß sich die Zeremonie am Grabe des Stifters, das mit einem Tuche bedeckt, mit brennenden Kerzen umstellt, unter Gesängen Gebeten und Segnungen durch die Priester besucht wurde. Für alle diese Leistungen der Kirche wurden die stiftungsgemäßen Gebühren an die Mitwirkenden entrichtet.

Dies war die Normalform des Anniversars, an die sich aber zahllose Varietäten legen konnten je nach Laune und Erfindung, Rücksicht auf Andre, Größe des Stiftungsgutes usw. Die Jahrzeit wurde nicht nur an einem Tage im Jahre gefeiert, sondern mehrmals; oder neben das Requiem traten noch zahlreiche gesprochene Messen, da dann so viele Priester mitwirkten als Messen zu zelebrieren waren; oder die Ankündigung geschah nicht allein von der Kanzel, sondern auch im Hause des Stifters oder seiner Nachkommen; oder ein Anniversar sollte das einzige bleiben, am gleichen Tag in derselben Kirche kein anderes gefeiert werden dürfen; oder es sollte in der Krypta begangen werden, nicht im Chor, um den ordentlichen Gottesdienst nicht zu stören; oder, wenn Jahrzeitkirche und Grabkirche nicht dieselben waren, wurde bei der Jahrzeitfeier im Chore der Katafalk, die „Chorbar“, errichtet mit Grabtuch und Kerzenglanz; oder ein und dasselbe Anniversar wurde gleichzeitig in mehreren Kirchen gefeiert, die alle der Stifter hiezu verpflichtet hatte; so sehen wir den Grafen Rudolf von Tierstein, den Klingentaler Kaplan Peter Schlatter, die Witwe Burchard Münchs und Andere ihre Jahrzeiten in fast allen Kirchen Basels zugleich bestellen; Walther von Roggenburg sicherte sich 1347 seine Jahrzeit in sämtlichen Barfüßerkonventen der Custodie Basel, das Geschlecht von Friesen die seine in den Cluniacenserprioraten St. Alban St. Morand und Feldbach.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 783. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/262&oldid=- (Version vom 4.8.2020)