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zusammenschloß, 1370 in der Eidgenossenschaft den Pfaffenbrief zu Stande kommen ließ.

Im Jahre 1385 brachte die Stadt die Schultheißengerichte in ihren Besitz und konnte an Stelle der bisher geübten Kritik die positive Leistung einer eigenen Judikatur setzen. Mit diesem Momente begann der Kampf.

Bischof und Stadt stritten dabei nicht nur um das Gerichtsprivileg der Kleriker, sondern auch um die Zuständigkeit und Rechtsprechung der Gerichte. Indem der Bischof zugleich für die Judikaturen des Erzpriesters und des Domdekans eintrat, verfocht er ein allgemeines Prinzip. Unberührt von diesem Kampfe blieben nur die römischen Gerichte der Konservatoren, die von der Bischofsgewalt eximierten Orden und während des Konzils dessen Angehörige. Diese Letztern standen ausschließlich unter der Jurisdiktion des Papstes und des Konzils selbst, sodaß sowohl jede laicalis justicia als auch die Befugnis des Basler Bischofs bei Seite geschoben war.

Die ausschließliche Jurisdiktion der Kirche über Kriminalsachen von Geistlichen war unwidersprochen; aber sie erhielt eine Ergänzung aus dem Rechte des Stadtfriedens. Dieses stellte dem das geistliche Strafrecht bestimmenden Begriffe der Sünde den öffentlichen Ordnungsbegriff eines im Stadtgebiet geltenden Friedens gegenüber. Dem Stadtfriedensgebot sollte jeder Einwohner unterliegen, der Rechtskreis der Kreuze maßgebend sein auch für die Kleriker. Diese Anschauung wirkte vielleicht schon im Erlasse Bischof Peters von 1305, durch den er dem Rate zugestand, delinquierende Geistliche festzunehmen und zu behalten bis zur Beurteilung durch den Bischof; jedenfalls aber wurde sie als geltendes Recht formuliert in den Einungbriefen von 1339 und 1352. Die Stadt auferlegte damit auch dem Klerus die Geltung des Stadtfriedensrechtes, überließ aber dessen Anwendung den kirchlichen Behörden.

Eine zweite städtische Ergänzung der kirchlichen Strafjudikatur wurde diejenige in Ehebruchsfällen. Solche Fälle unterstanden seit Alters, gleich Wucher Gotteslästerung Meineid, unbestrittenermaßen dem geistlichen Richter, bis der Rat 1457 den Ehebruch auch seinerseits mit Strafe zu belegen beschloß und eine eigene Aufsichtsbehörde bestellte.

Auch im Gebiete des zivilen Rechtes galt für die Kirche der Grundsatz, daß kein Kleriker vor weltlichem Gericht erscheinen sollte, weder als Kläger noch als Beklagter; wiederholt proklamierten die Bischöfe dieses Sonderrecht. Aber auch ohne Beteiligung eines Tonsurierten und unter allen Umständen behielt die Kirche ihrem Gerichte vor und unterwarf seiner ausschließlichen Kompetenz alle Streitigkeiten um Kirchengüter, alle Ehesachen,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 738. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/217&oldid=- (Version vom 4.8.2020)