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„Wan götlicher dienst ist ein anvang geistlichen lebens“, stand im Mittelpunkte des Ganzen unerläßlich und unveränderlich das officium divinum, der so gut Nachts wie Tags geübte Gottesdienst im Chore mit gemeinsamem Singen oder Rezitieren der Horen und Feier des Hochamtes, sowie Predigt. Die nicht diesem Kultus gehörenden Stunden sollten geheiligt werden durch die tägliche Versammlung im Kapitelsaal mit Gebet, Verlesung des Martyrologium und der Regel, öffentlichem Bekennen von Verfehlungen; ferner durch Beichte und Kommunion, durch Meditation Arbeit Enthaltsamkeit und durch Schweigen, „diesen schönen Brauch, der für Heiligung Frieden und Studium so ersprießlich ist“. Eine Askese, die im Einzelnen natürlich variieren konnte. Alles aber und in jedem Kloster war umgeben durch das furchtbar ernste Gefühl einer gleichmäßigen lebenslangen Gebundenheit und durch die Fessel der Klausur.

Höchst anziehend ist nun, zu beobachten, wie das Leben und seine Notwendigkeiten oder Gelüste mit diesem scheinbar so festgefügten Zustande verfuhren.

Daß der Leidenschaft keine Klausur widerstand, lehren z. B. die aus dem Kloster flüchtenden Brigitta Waltenheim, Anna von Ramstein und Andere. Auch der Predigermönch Johann zum goldenen Ring zeigt merkwürdige Singularitäten: er verfügt über große Geldmittel und hat eine Magd zu seiner Bedienung; offenbar durchbrachen Person und Reichtum zuweilen auch die festeste Norm. Wichtiger war die Wirkung allgemeiner Institutionen und Anschauungen. Namentlich die schon oft erwähnte Teilnahme des Klosters an der Pfarrtätigkeit. Wir sehen diese Klöster sich öffnen, ihre Mönche draußen sich zu tun geben. Am häufigsten die Mendikanten, deren Ziel das Seelenheil der Mitmenschen und deren höchste Bemühung die Arbeit an diesen war. Daher ihr Predigen auf Gassen und Kanzeln, ihre Ketzerpredigt, ihre Bußpredigt. Bis ins Persönliche und Verborgene des Einzelnen dringen sie als die gewandtesten Beichtväter. Auch dieses nicht im Kloster, sondern draußen in den Häusern bis hinauf zu den Fürstenhöfen. Wie sollte hiebei noch vom alten strengen Klosterleben die Rede sein? Ein Mendikant darf sein Kloster verlassen ex causa racionabili et utili; die Entziehung dieses Ausgangs ist z. B. Strafmittel bei Vernachlässigung des Chordienstes. Wir vergessen, daß wir Klosterleute vor uns haben, wenn wir diese Männer in so mannigfaltigen Tätigkeiten und Beziehungen der Welt erblicken. Die Augustiner häufig als Weihbischöfe. Die Mendikanten überhaupt als eifrige Streiter in den allgemeinen Kämpfen der Kirche und in den Zwistigkeiten der Stadt mit dem Bischof. So wenig verschlossen war oft

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 694. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/173&oldid=- (Version vom 4.8.2020)