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Heinrichs von Beinheim, zur Zeit des Konzils. Vielleicht haben die zahlreichen fremden Notare Prokuratoren und Kanzlisten, die damals hier waren und mit ihren Basler Kollegen verkehrten, zur Gründung der Gesellschaft den Anstoß gegeben. Die Gesellschaftsstube lag im Offizialatshause; hier wurden gelegentlich die Häupter der Stadt bewirtet, beim Tod eines Stubengenossen Leidschenken abgehalten usw.

Aber das sind Gruppen und Figuren, die uns nur Teile zeigen. Wie weit greift das wirkliche Leben auf Burg über sie hinaus; durch die sakralen Formen bricht überall die Beweglichkeit des Einzelnen, und unaufhörlich treten neue Gestalten zwischen die Angesessenen: Gäste Stadtbesucher Fuhrleute Zinsbauern; die lärmenden Verkäufer und Käufer bei den Kramläden, die ringsum an den Münsterwänden angeheftet sind; die Bannwarte, die im Herbst an schwer gebogener Stange große Trauben aus dem Kanaan von Haltingen herauftragen; Geistliche und Laien aus dem Bistum, die vor den Richter geladen sind, um sich in Konkubinatssachen Ehesachen usw. zu verantworten; müßige Gaffer, die dem Notar rasch Zeugen stehen müssen; Parteien, die ihren Streit aus dem Konsistorium bis unter die Linden heraus tragen u. s. f.

Hinter all den noch so kräftigen Äußerungen dieses Lebens, des Kultus, der Vermögensverwaltung, des Hofhalts, der massenhaften klerikalen Einzelhauswesen empfängt uns die große Wirkung universaler Art, die von diesem Orte ausging. Auch für die vom Bischof freigewordene Stadt war dieser Hügel immer noch das Kapitol; jährlich kam hier oben mit Begehungen voll Weihe der Rat zu Stande; jährlich am Karfreitag verrichtete im Münster der Rat seine offizielle Devotion auf gleiche Weise, wie in der zweiten Stadtkirche, zu St. Theodor; in großen geschichtlichen Momenten, von Siegen heimkehrend, zog die Bürgerschaft noch im Waffenkleide triumphierend auf Burg, um vor dem Hochaltare des Münsters ihren Dank darzubringen. Ob hier die Edeln des Hochstiftes turnierten, die alten Jahrmärkte stattfanden, Ablaßverkündigungen Feste und Prozessionen waren, immer handelte es sich dabei um Lebensinteressen der gesamten oberrheinischen Lande. So stellt sich uns der Basler Münsterplatz dar als der Mittelpunkt eines weiten Gebietes; jeder Bauer und jeder Graf dieses Gebietes war hier oben zu Hause. Und wie mächtig erwies sich die geistige Herrschaft dieses Münsters als der einen heiligen Mutter und Meisterin aller Kirchen des Bistums. Von den großen Synoden und dem beständigen Verkehre der Ruraldekane an bis zu den Pfarrern, die alljährlich am Gründonnerstag hier in der Kathedrale das heilige Öl zu holen kamen.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/148&oldid=- (Version vom 4.8.2020)