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Messen 1477 nicht selbst besorgten, sondern der Bruderschaft übertrugen. Deren Vorgesetzte führten seitdem die Kontrolle und Aufsicht in diesen Dingen; dazu gehörte auch, daß sie 1492 das Waschen und Flicken der unter ihrer Besorgung stehenden Paramente den Nonnen im Gnadental verdangen.


Wir beachten alle diese Sonderungen, diesen Reichtum einzelner Formen, und dennoch steht das Domstift immer wieder als Einheit vor uns, zusammengehalten durch das ihm eigene Wesen von Größe. Es ist das Leben der Kathedrale. Ein Schimmer fürstlicher Hoheit, die Weihe alten zentralen Kirchentums umgibt Alles. Wenn mir zu Zeiten nichts vor uns zu sehen glauben als ein Stück weltlicher Regierung, als Gerichtsbarkeit, als große Administration, so werden wir doch sofort auch inne, was an gottesdienstlicher Beflissenheit, an höherer Gesinnung hinter dem Geschäfts- und Tagestreiben lebt, wie das Ganze ein Priesterstaat ist. Das enge Verbundensein des Entgegengesetztesten, das dem alten Kirchenwesen überhaupt Reiz gibt, erscheint hier auf Burg, wo alle Maße größer sind als anderswo, ins Bedeutende gesteigert.

Schon im Äußern, in der topographischen Anordnung. Auf dem Vorhofe des Münsters selbst, dem Atrium, grenzen Ritter- und Klerikerhäuser aneinander; die Nebengassen haben die seltsamsten Mischungen von Bewohnerschaft. Kleingeartet und schlicht die Spiegelgasse, wo der langen schweigsamen Front des Augustinerklosters gegenüber ein Gewimmel von bescheidenen Klerikern des Doms und der Martinskirche, von Schreibern Gelehrten Künstlern sich drängt, darunter Figuren wie Johann von Gmünd der Werkmeister und Sebastian Brant. Das Gegenstück dazu ist die Rittergasse, mit dem Alles dominierenden gewaltigen Gehöfte der Dompropstei und alten stolzen Herrenhäusern der Ramstein und Eptingen. Von großer Art ist hier auch das Ordenshaus der Deutschritter und ihm gegenüber Bitterlins Hof, der jetzt das Haus der edeln Damen ist, erst der Königin Agnes von Ungarn, dann der Jahrzehnte lang hier als Witwe des Markgrafen Rudolf von Hochberg lebenden Katharina von Tierstein, dann der Margaretha von Landenberg. Neben dem Allem eine Schwesternkongregation, das Stadthaus der Olsberger Nonnen sowie da und dort eingeklemmt das Häuslein eines Domkaplans oder eines Notars. Kaplanenhäuser sind außerdem über diesen ganzen Bereich hin zerzettelt: am Schlüsselberg, am Spitalsprung, am Bäumlein; aber auch noch weiter weg vom Münster stehen sie: am Rheinsprung, bei Steblinsbrunnen, bei der Barfüßerkirche,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/143&oldid=- (Version vom 4.8.2020)