Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/125

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der Primat des Domstifts zeigt sich in der auszeichnenden Begabung der Domherren und ihres Gesindes sowie der Domkapläne mit Rechten, die dem übrigen Klerus nicht zukommen. Er erscheint auch darin, daß sich das Domkapitel als Vertreter der gesamten städtischen Geistlichkeit, ja des Diözesanklerus, geben und benehmen kann. So dem Bischof gegenüber in den Wahlkapitulationen; so dem Rate der Stadt gegenüber im Kampfe der 1460er und 1470er Jahre um die Priestertestamente u. dgl. Noch 1512 tritt das Kapitel in den Ratssaal der Stadt als Haupt und Wortführer aller „ingesessenen Priesterschaft“; mit dem Markgraf verhandelt es 1513 wegen des römischen Gerichtes namens „der andern stiften clöstern und gotteshüseren ze Basel“.

Die Macht des Domkapitels ging jedoch über das kirchliche Gebiet hinaus. Als Ratskollegium des Bischofs nahmen die Domherren auch an der Stadtbeherrschung teil, solange von solcher Beherrschung die Rede sein konnte. Nicht nur leichthin zeigen die Gesetze über den Stadtfrieden und das Fünfergericht sowie der Zunftbrief der Fischer und Schiffer die Formel, die im Komplexe der legislatorischen Gewalten neben Bischof Ministerialen Rat und Zunftmeister die Domherren aufführt; noch bis zu Beginn des XV. Jahrhunderts darf die Stadt keine Steuer erheben ohne Willen des Bischofs und des Kapitels; das Teilnehmen des letztern an der jährlichen Ratswahl, das merkwürdig lange sich behauptet, hat ursprünglich kräftiger als alles Andere das Recht des Stiftskollegiums dargetan.

Aber auch bei dem, was nach Verlust der Stadtherrschaft noch weltliches Regiment des Bischofs war, sehen wir das Domkapitel berechtigt.

Das Domkapitel wählte den Bischof. Diesem Wahlrecht entsprechend stand dem Kapitel bei Erledigung des bischöflichen Stuhles die Regierung des Bistums bis zur Neuwahl zu.

Das Kapitel wußte aber dieses Wahlrecht auch zur Stärkung der eigenen Macht zu benützen durch das Mittel der Wahlkapitulationen d. h. bestimmter, von dem zu Wählenden dem Kapitel gegebener eidlicher Zusagen. Wir beachten, unter welchen Umständen diese Wahlkapitulationen in Basel Brauch wurden. Im Jahre 1261 finden wir sie zuerst, als ein Zeugnis der wilden Bewegungen, die den Ausgang Bischof Bertholds und das Aufsteigen Heinrichs von Neuenburg begleiteten. Dann wieder 1335 als Abschluß jener Unruhen vor der Wahl Johann Senns, in denen die gewalttätige Figur des Generalvikars Johann von St. Alban Alles überragte; deutlich nimmt die Kapitulation Bezug auf diese Vorgänge: in der Verpflichtung Senns, die vom Kapitel zur Sicherung der Bistumsschlösser dem Generalvikar

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 646. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/125&oldid=- (Version vom 4.8.2020)