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Natürlich führte dieser Zustand zu Streitigkeiten. Es konnte sich um den Konflikt zweier Kirchen handeln, die beide Pfarrkirchen waren; in den meisten Fällen aber war es ein Konflikt einer Pfarrkirche mit einer Ordenskirche.

Wie das Auftreten der Mendikanten die Konkurrenz der Klosterleute mit dem Weltklerus durchweg belebte, so auch in den Begräbnisdingen. Man drängte sich zu diesen Mönchen im Tode wie im Leben; man wollte in der Mendikantenkutte bestattet und den heiligen Männern auch im Grabe noch nahe sein. Rasch füllten sich ihre Laienkirchhöfe, so daß z. B. derjenige der Augustiner 1340 erweitert werden mußte.

Daß in solchen Fällen der Streit sehr heftig werden konnte, zeigt mit krasser Lebendigkeit das nach dem Tode der Anna Helmer 1320 Geschehene: drei Mönche aus dem Barfüßerkloster, von Konversen des Gnadentals unterstützt, holen den Leib der Toten aus dem väterlichen Haus in der Leonhardsgemeinde und tragen ihn an der Pfarrkirche dieser Gemeinde vorbei in die Kirche ihres Ordens hinab. Hier wird trotz dem Verbote des Offizials rasch das Totenamt gefeiert und die Beisetzung im Klosterkirchhofe vollzogen. Es ist eine gewaltsame Entführung, und zur Hast und Wildheit dieser Szene paßt dann alles Weitere: die Verwundung eines Chorherrn von St. Leonhard durch den Bruder der Toten; die Weigerung der Barfüßer, den Leichnam wieder herauszugeben und die Pfarrei zu entschädigen; die Verhängung des Interdikts.

Andere Vorfälle dieser Art werden uns nicht geschildert. Aber sie haben sich unzweifelhaft wiederholt. Hinter den Akten, in denen die Begräbnisfrage ja nur im Allgemeinen erörtert wird, steht ein von Leidenschaft und Schmerz erregtes Leben. Die Vertreter der Kirche, zur Pflege der Seelen, zur Gewährung von Trost berufen, betreiben diese Dinge als Geschäfte und bekämpfen sich dabei oft aufs feindlichste. Zwischen ihnen ist das Volk der Gläubigen, das, durch Mißtrauen Aufpasserei Geldbegehren von der einen, Zudringlichkeit und Gier von der andern Seite bedrängt und irregemacht, seine schwersten Erlebnisse, seine bittersten und heiligen Stunden durch solchen Zank geschändet sehen muß.

Das freie Begräbnisrecht, das diese Wirkungen hatte, war allerdings nicht preiszugeben. Wohl aber suchte die Kirche seine Ausübung zu regeln durch die Mittel der Quart und des letzten Abschiedes.

1. Die Pfarrkirche, die einen Untertan zum Begräbnis an ein anderes Gotteshaus abgab, erhielt von diesem einen Teil der dabei eingehenden Gebühren und Vergabungen. Das Recht auf diesen Anteil war so alt wie

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 639. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/118&oldid=- (Version vom 4.8.2020)