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Wesen gar nicht genügen können, daher sie, gleich den Frauen, dem Schutze der frommen Ritter befohlen sind, keines der hochstiftischen Ämter bekleiden können, vor dem Stadtgericht eines Vogtes bedürfen u. dgl. m.

Ein großer Teil dieser geistlichen Einwohnerschaft lebt hinter Mauern verschlossen, in den Klöstern, und wird selten sichtbar. Das sind die Religiosen, die Ordensleute, Mönche und Nonnen.

Ihnen gegenüber steht und beschäftigt uns hier zunächst der eigentliche Klerus, der sich, ohne Schaden für seinen Standescharakter, täglich überall mitten im profanen Leben bewegt.


Zum Wesen des Klerus gehört, daß er in den wenigsten Fällen theologisch geschult ist, überhaupt selten höhere Bildung besitzt. Der Durchschnittskleriker hat meist nur die Lateinschule durchgemacht und im besten Fall einen artistischen Grad erlangt.

Auch sind keineswegs alle Kleriker zugleich Priester. Manche begnügen sich mit den niedern Weihen und sind somit nicht zum Zölibat verpflichtet. Daher die oft uns begegnenden clerici conjugati. Sie verlangen nicht mehr, streben überhaupt nicht nach hohen Dingen und wahren sich die Möglichkeit der Rückkehr in den Laienstand. Erst die Priesterweihe gibt dem Kleriker die innere unverlierbare Befähigung zur Ausübung der Kirchengewalt, zur Darbringung des Meßopfers, zur Spendung der Sakramente.

Ziel fast aller Kleriker ist die Pfründe, weil sie ein Kirchenamt trägt und ökonomischen Wert hat. Sie besitzt Geräte Bücher Zinse Häuser usw. Sie gibt einem Leben Halt, sie ernährt, sie bietet Versorgung. Es sind sprechende Vorgänge, wie der Stadtschreiber Künlin auf seine alten Tage Kleriker wird und nach den Sorgen und Anstrengungen der langen Amtsarbeit die Stille einer Kaplanei in der Heiligkreuzkapelle aufsucht; oder wie bei der Teilung des Eptingischen Erbes 1456 Hartman zurücktritt und seinen Brüdern die größern Teile läßt, weil er wohlbepfründet ist und sein Auskommen hat, während sie die Familie emporbringen sollen. Die Pfründe ist die erwünschte Grundlage klerikaler Tätigkeit. Wer dem Altare dient, soll vom Altare leben; ohne Zeitliches kann das Geistliche nicht gedeihen; je besser und nahrhafter die Pfründe ist, um so reichlicher kann auf ihr Gott gedient werden.

In unzähligen Fällen sehen wir aber den Kleriker sich gar nicht mit einer Pfründe allein begnügen, sondern ehrgeizig und habsüchtig ihrer mehrere begehren und neben einander besitzen.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/101&oldid=- (Version vom 4.8.2020)