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Daß Einzelnen diese Schranken zu enge sein mußten, ist begreiflich. Stärker als jedes System war persönliche Kraft und tatsächliches Bedürfnis. So finden wir nicht nur endlosen Streit, sondern auch Anpassungen, wie z. B. bei Bartholome Rutenzwig, der zugleich Maler und Glaser war und erst nachträglich auf die Malerei verzichtete. Jedenfalls gab es Gewerbe, die zwar verschieden, aber doch kaum von einander zu lösen waren: so Bildhauerei und Schreinerei in der Werkstätte des Martin Hoffmann; und ähnliche Zweifel konnten herrschen über das Verhältnis der Schnetzer (Bildhauer) zu den Malern: verarbeiteten sie nur rohes Holz, so gehörten sie zur Spinnwetternzunft; wollten sie aber außerdem noch fassen malen vergolden, so sollten sie zur Malerzunft sich halten.

Täglich entstanden neue Schwierigkeiten dieser Art durch die Entwickelung des Lebens, die fortschreitende Spezialisierung der Betriebe. Immer neue Grenzbestimmungen wurden nötig. Kein Schneider durfte Seidenstickwerk von Livreen Kreuzen Leisten u. dgl. machen, während die Anfertigung von „schnidwerk“, insbesondere Meßgewändern Evangelierröcken Chorkappen Fahnen, nur ihm erlaubt und dem Seidensticker verboten war. Gleicher Art die Teilung zwischen Sporern und Gürtlern wegen des Verfertigens und Feilbietens von Spanngürteln und Welkräpfen (Winden und Windenrädern zum Spannen der Armbrust), Zäumen Gebissen Steigbügeln usw. 1453, zwischen Reitsattlern und Kommetsattlern 1486, zwischen Messerschmieden und Schwertfegern, zwischen Zimmerleuten und Tischmachern. Ähnlicher Zank überall da, wo mehrere Gewerbe am Bereiten und Fertigmachen desselben Stückes beteiligt waren; daher die Klage der Maler, daß die Schlosser unbefugterweise „Gleiche“ und Schlösser mit roter grüner blauer Farbe anstrichen, daß ebenso die Maurer sich des Malens der Häuser, des Ausstreichens mit „Bollen und schwarzen Blumen“ unterfingen. Eine Casuistik bildete sich aus, die in subtilster Weise schied. Ziemerlinge Amseln Drosseln u. dgl. durften durch die Köche nur gespickt und wohlbereitet verkauft werden, in den Federn nur durch die Gremper; und als die Seiler mit den Webern in Streit gerieten über Anfertigung von Schnüren und Gurten, sprach der Rat 1466 den Webern solche Ware zu, die mit dem Schemel und Schifflein, auch mit dem Wirbel gemacht werde; aber Treibschnüre und Zwickschnüre sollten sie liegen lassen.


Die Sorgfalt und Strenge, mit der die Behörde den Zunftzwang handhabte, würde ihn nicht so allgemein anerkannt und wirksam gemacht haben, wenn nicht die Zunft zugleich auch öffentlichrechtliches Organ des

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/437&oldid=- (Version vom 10.11.2016)