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jetzt sich gleich den Rittern „Herr“ zu nennen; sie führten Siegel, so schön und stattlich wie nur je die Siegel der Edeln waren; wichtiger aber, daß zwischen Rittern und Burgern Ebenbürtigkeit anerkannt wurde. Heinrich Tanz verheiratete seine Tochter Gertrud dem Ritter Heinrich Kraft; Konrad Ludwigs hatte die Agnes von Titensheim zur Frau, den Heinrich Zerkinden zum Schwesterbruder, den Hugo Münch zum Schwiegersohn. Auch das alte Recht der Lehensfähigkeit wurde jetzt den Burgern vom König neu bestätigt, und seine Bedeutung darf nicht gering bemessen werden. Es befähigte diese Städter, ihr Vermögen in adligem Besitz auf dem Lande anzulegen, und vermochte daher mehr als Anderes, sie und ihr Gut der Stadt zu entfremden.

Diesem Zusammengehen mit den Rittern antwortete naturgemäß ein entschiedeneres Sichzusammennehmen im Innern selbst. Da der Bürgerbegriff jetzt seine exklusive Bedeutung verlor und nicht mehr an sich den geschlossenen Kreis der Ratsfähigen bezeichnete, ergab sich das Bedürfni seiner andern Form der Absonderung. Dies war die Stube. Dem in den Zünften sich aussprechenden Genossenschaftsleben analog verband auch sie Diejenigen, die gleiches Rechtes waren. Als rein gesellige Organisation bestand sie vielleicht schon seit längerer Zeit, jetzt wurde sie zum öffentlich-rechtlichen Verband. Möglicherweise geschah das Gleiche zur gleichen Zeit bei Rittern und Burgern, in Entstehung der beim Münster gelegenen Ritterstube zur Mücke und der bürgerlichen zum Brunnen im Petersquartier.

Das spezifische Wesen des Patriziats hat sich in dieser Periode ausgebildet, als Eigenart gegenüber dem gemeinen Manne, aber auch gegenüber dem Adel, nach dessen ritterlicher Art zu leben ersehntes Ziel war und von dem doch so viel Inneres, Angebornes, auch ein stolzes Gefühl alter Freiheit gegenüber diesen Dienstleuten schied.

Denn es ist nicht zu verkennen, daß in dieser Gesellschaft, ihr selbst vielleicht nicht völlig bewußt, doch viel Gegensätzliches gegen die Ritter, viel Verwandtsein mit den Zünften lebte. Diese waren rein städtisch wie die Burger. Die Tatsache des steten Strömens und Drängens von unten her trug auch dazu bei; sie brachte neue demokratische Elemente in diese Kreise hinein, und Diejenigen, die sich zu den Rittern gesellen konnten, nahmen Ambitionen mit sich fort, die dieser Gesellschaft im Grunde fremd waren. Aber weil der Zufluß von unten stets nur die Tüchtigsten und Ehrgeizigsten brachte, hielt sich der Charakter der Klasse auf einer Höhe; das Selbstgefühl des Emporkömmlings hinderte die Einzelnen am fernern Zusammengehen mit den Zünften, aus denen sie heraufgekommen.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/111&oldid=- (Version vom 5.7.2016)