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Verschiedene: Wünschelruthe


Ferdinand, grade vom Winter ist wohl das beste bey Bissings Natur zu erwarten, er drängt die Lebensgeister zusammen und erhöht und kräftigt sie – und dann die Kälte, Bissing war so lange in Rußland, sie ist sein Element. Die Fremde trat herzu – Unsre Freundin Emilie will uns einige Wochen ihre Gesellschaft schenken, sagte Auguste, ihr Vater hat sie uns zugeführt gleich wie Sie fort waren. Sie würden verzeihen, wendete sich Ferdinand gegen sie, daß die Sorge für Jemand der Ihnen unbekannt ist, mich in diesem Augenblick so ganz in Anspruch nahm, wenn Sie ihn kennten, den Kranken, der uns so werth ist – Ein wackerer, vielerfahrner, thätiger und ein herzlicher Mann, dem Schloß hier wie dem Städtchen unentbehrlich, in Freud und Leid ein willkommner Genosse, mitfühlend oder mittragend, immer gleich bereit und fähig zu Rath und That; wir alle sind ihm durch Neigung und Dankbarkeit vielfach verbunden – Und jetzt hatte ihn die Krankheit mit einer Heftigkeit ergriffen, daß bey seinem Alter viel, sehr viel zu fürchten war – Gottlob, es ist vorüber. Ich kenne ihn durch Dich, durch Deine Briefe, sagte Emilie Emmas Hand nehmend – O bringen Sie dem Vater diese frohe Nachricht, rief Auguste, wie wird er sich freuen. Doch wir gehen wohl miteinander hinein, denke ich, es wird kühl und das Gras wird feucht. – Man ging; vor der hohen Glasthür die unmittelbar vom Lindenplatze in den Saal führt, wandte Emilie sich noch einmal die Gegend zu überschauen, mit dem warmen braunen Auge blickte sie jetzt Ferdinand an und sagte auf den Fluß zeigend: auch ein Bild des Lebens. Sie eilte den Schwestern nach – Ferdinand sah hinab nach dem Flusse, der die alten Grundmauern des Schlosses anspült – Die blitzenden Lichter schossen auf den gekräuselten Wellen hin und her, hier und dort schnellte auch wohl ein Fisch sich empor und der Sonnenglanz spiegelte sich auf den feuchten Silberschuppen. Ein Nachen trieb daher, ruderlos, dem Zuge des Stroms folgend, geputzte Mädchen saßen darin heimkehrend von einem nahen Jahrmarktfeste, sie sangen, einige braune Burschen jauchzten dazwischen, die bunten Bänder um die breiten Hüte flatterten im Winde, sie schaukelten das Schiffchen und trieben ihr gefährliches Spiel so übermüthig, daß die geängsteten Dirnen hell aufkreischten; diesen nach schwamm ein beladner Kahn, der Schiffer stand vorn in dem Fahrzeug und sah den Fluß hinab und schmauchte ruhig zufrieden sein Pfeifchen, während der Bootsknecht am Steuer saß und ein Knabe knieend bey einem qualmenden Kohlenfeuer auf dem Hinterdeck beschäftigt war; er mochte wohl die spärliche Abendkost bereiten. – Drüben zogen viele Pferde an langen Seilen, und schleppten mühsam ein größeres Schiff im Fahrwasser stromaufwärts – fluchend und mit geschwungenen Peitschen trieben Bauern die müden Thiere an – auf dem Schiff war Alles still – das Geläut der Heerden erschallte – aber Ferdinand mußte zur Gesellschaft.

Z.


Glosse.

     Eines schickt sich nicht für alle,
          Sehe jeder wie ers treibe,
          Sehe jeder wo er bleibe
     Und wer steht, daß er nicht falle.

Göthe.


     Ich bin dich auf nischt so gramm,
Mich is nischt so sehr zuwider,
Als wenn so ein Tranconditor
So’n geputztes Sonntagslamm,

5
So en Lord vom Millendamm

Den Bereiter spielt vom Stalle,
Oder den Student von Halle
Un uf seiner Schindermähre
Immer schreit: „uf meiner Ehre!“ –

10
Enes schickt sich nich vor alle.


     Un was och mich ochsig kränkt
Is, wenn so en Kawallriste
Sich en Dichter, en Juriste
Oder en Gelehrter denkt,

15
Un de Finger sich verrenkt,

Daß er sagen kann: „ich schreibe!“
Lieber mit den alten Weibe
Wollt ich nach den Blocksberg reiten,
Als so’n Kehrel zu bedeuten; –

20
Sehe jeder, wie ers dreibe. –


     Un dann wird mich blimmerant,
Wenn so’n Bengel vom warmen Ofen,
Aus de Schule koom gelofen,
Schreit: „ich rett’s Vaterland!“ –

25
Hat so’n Vieg woll mehr Verstand

Wie ’ne griene Fensterscheibe?
Wie’n Recrut im Mutterleibe?
Un doch weeß er alles besser,
Ne, mein liebster Herr Professor,

30
Sehe jeder wo er bleibe. –


     So ’ne Werthschaft wie jetzund
Knoten und Soldaten dreiben
Mit ihr Reden un ihr Schreiben
Un dem olen Dugendbund! –

35
Ne das wird mich jar zu rund!

Sehe Ener nich nach Alle,
Jeder nach dem egnen Stalle,
Was zu duhn, anstatt zu schwatzen,
Sich zu kämmen statt zu kratzen,

40
Un wer steht, daß er nich falle.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_207.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)