Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 199.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe


     Und eine Zof’, ihr lieb und hold: vertraute
     Ein Theil den Beyden von dem Awenteuer,

295
     Enthüllt den Plan, daß sie vonhinnen fliehe,

     Und daß ein andrer Grund sie weiter ziehe.

91.

Indeß nun rasch der treue Schildgeselle,
     Was ihm zur Reise nöthig dünkt, bereitet:
     Nimmt sie das Kleid ab, das in stolzer Welle

300
     Vom Haubte bis zur Sohl’ hernieder gleitet,

     Und steht im Unterkleid so schön zur Stelle,
     So schlank, daß es den Glauben überschreitet!
     Wobey ihr Niemand weiter Hülf’ erweiset,
     Als die Erwählte, welche mit ihr reiset.

92.

305
Sie zwängt und preßt in härtsten Stahl die milde,

     Jungfräul’che Brust und Lockengold zumahle;
     Die Mädchenhand greift nach dem schweren Schilde,
     Fast überwältigt von dem wicht’gen Stahle;
     Sie zwingt sich keck zu seyn, recht kriegrisch wilde,

310
     Hell funkelnd um und um im Waffenstrahle.

          Auf lacht der Liebesgott! so selbst zufrieden,
     Wie, als er barg im Weiberrock Alziden.

93.

O wie die übermächt’ge Last sie preßte,
     Wie mühsam regt sie sich, wie langsam schreitend!

315
     Hält an die treue Zofe stets sich feste,

     Die bey ihr gehn muß, stützend und geleitend.
     Doch Lieb’ und Hoffnung helfen ihr auf’s beste,
     Dem schwachen Leib stets neue Kraft bereitend:
     Bis sie den Weg zum Knappen bin vollbringen,

320
     Mit dem sie jach sich in die Bügel schwingen. u. s. w.




Seltsame Fügungen des Geschickes.




Wir geben hier einige Geschichten, die in keiner innern Verbindung stehen, und die nur, wie Perlen durch einen rothen Faden aneinander gereihet werden, durch den Zufall verbunden sind, der durch alle wie die Schlange, die hier zugleich bös und verführend, wohlthätig und verschönernd (als Symbol der Gesundheit und Ewigkeit) ist, sich hindurchschlingt; durch den Zufall, oder wie wir die dunkle Gewalt nennen mögen, die wie in einem Traume, den das Schicksal, die Natur träumt, den gewöhnlichen Gang, das Vorhergesehene durch das Ungewöhnliche, Unvorhergesehene, oft furchtbar, oft nur ironisch und launenhaft unterbricht.

1.

Ich kam an einem Sommertage mit meinem Oheim den Berg herab, der sich an dem Edelhofe und Dorfe W. in einem halben Bogen herzieht und es still in seinem Schooße hat. Der Edelhof liegt allein, davor eine Wiese, zwischen welcher und dem Fuß des Berges ein Fahrweg vom Holze zum Dorfe zwischen hohen und starken Hecken herzieht. Wir waren stehen geblieben, und sahen herab, da zeigt mein Oheim auf den Weg, und sagt : „willst du nun einmal sehen, wie Kinder und besonders Bauerkinder um die sich niemand bekümmert, ihren eigenen Schutzengel haben?“ ich blickte scharf hin, da zog in dem Wege eine beladene Schleife oder Schlitten, worauf etwas Gras zur Fütterung lag, darauf saß ein Kind von höchstens 5 Jahren rückwärts, und hatte die Schneide einer Sense queer so auf dem Schooße liegen daß ihr Stiel links weit über den Schlitten wegragte.

Zwei Pferde zogen, auf denen ein Junge von 6 bis 7 Jahren saß; faßte der Stiel der Sense nur einmal in die Hecke, so mußte sie das Kind nothwendig durchschneiden. Ich sprang den Berg herab, ohngeachtet mich der Oheim aushalten wollte, und mir allerhand nachrief, was ich nicht mehr verstand. Auf ein paar hundert Schritte rief ich dem fahrenden Jungen zu er solle stille halten; dieser aber der mich auf sich zulaufen sieht und schreien hört, was er nicht versteht, geräth in Angst, schlägt die Pferde daß sie im Trabe zum Dorfe eilen. Ich bleibe stehen, weil die Mühe umsonst, und erwarte den Oheim der langsam und kaltblütig herabkommt. „Siehst du, wie wahr es ist mit dem Schutzengel, du hattest dazu mit wohlgemeinter Voreiligkeit die Gefahr vergrößert, ich sah von oben herab ganz deutlich wie jedesmal wenn der Sensenstiel fast in die Hecke eingefaßt hatte der Schlitten rechts von der Seite rutschte, damit das Kind, das da auf dem Grase saß, wie eine reife Kirsche zwischen Blättern, die jeden Augenblick der Vogel anpicken kann, daß das rothe Blut die grünen Blätter besprengt, ja nicht in seiner unbehüteten und unbesorgten Unschuld verletzt würde.“

– tn.


2.

In Polen fiel ein Bauer in eine tiefe Honiggrube die in einem großen holen Baume war, in welchem er hätte sterben und verfaulen müssen, wäre nicht ein Bär gekommen um zu fressen, den erwischt er an einer Tatze, macht zugleich ein gräßlich Geschrei, daß der Bär erschrocken im Davonrennen ihn herauszieht.



3.

In der Schweitz hoch auf dem Gebirge begegnet ein Bär einem starken Bauren, fällt ihn an, der wehrt sich nach Kräften, faßt den Bären um den Leib; sie fallen beide nieder an einem jähen Abhang, schlagen darinn hinunter, und weil der Bär schwerer war, fällt er unter daß alle Knochen zerschmettert werden, der Bauer aber liegt unversehrt in den Armen des todten Bären.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)