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Verschiedene: Wünschelruthe

Koop dines Nabers Rind und frie dines Nabers Kind.




Proben aus Ferdinands Tagebuche.




I.
April 1812.

Sehn Sie Ferdinand, das ist, das kann ihre Ueberzeugung nicht sein! Vertheidigen Sie nicht sonst immer jede Eigenthümlichkeit, und nun wollen Sie gar die eigne liebe Individualität gleich und mit einem Male als verwerflich aufgeben. – Es gelingt Ihnen nicht, warten Sie nur, jetzt laß ich mir nicht Sand in die Augen streuen durch Ihre vollen vornehmen Worte. – Auch widersprochen haben sie sich überdies; ich halte Sie fest, hören Sie an. – Auguste wollte die Widerlegung anheben, da pochte es und sie wandte die hellen blauen Augen ab von Ferdinand nach der Thür. – Herein trat ein hagres Männchen im braunen Mäntelchen, die Pelzmütze oben mit spitzen Fingern angefaßt langsam von dem schneeweißen Haar abhebend, sprach es: einen schönen guten Abend! – Spitzbube rief ihm der grüne Papagei von Emmas Schulter entgegen und biß ärgerlich in die braunen Locken des Mädchens das, in reizender Stellung dem Vogel liebkosend, dem alten Bekannten vertraulich zunickte. – Ach! der Neunundneunziger rief der Amtmann; darauf: gardez la reine und indem er nun schneller als gewöhnlich vom Schachtisch sich erhob, zog er den Gürtel am gelbseidnen Schlafrock etwas an, rückte das grüne Sammtkäppchen ein wenig, und stellte seinem Gegner, Ernst, der nach Art der Studenten schon so früh im Jahr sich sommerlich gekleidet hatte, und in diesem Augenblicke sehr bedenklich drein sah, den braunen Mann vor. Herr Winter sagte er mit komischer Manierlichkeit, dann Ernst vorstellend: Herr Sommer – dort wird wohl der Frühling sein, meinte gegen die Jungfrauen gewandt der braune Mann, mit einem überaus feinen und lieblicheln Lächeln, das jugendlich grade wie ein Frühling über das gefurchte Antlitz schwebte – und hier, auf den Amtmann zeigend, der Herbst. Nun da hätten wir ja das ganze Jahr bei einander, erwiederte dieser sich gemächlich im Sessel niederlassend, und in einem Zimmer, es hält einmal friedlich zusammen denk ich, und wir wollen heute schwatzen und fröhlich sein für ein ganzes Jahr wie sich’s gebührt. Er winkte Augusten welche hinausging. Der runde, grünbedeckte Tisch wurde vor des Amtmanns Lehnstuhl gerollt, der hagre Mann warf den braunen Mantel ab und erschien, im kurzen etwas weiten braunen Rocke mit Stahlknöpfen; jetzt rückte und schob sich alles nah genug zusammen. – Während der Bediente Flaschen und grüne Kelchgläser herantrug, den drei Männern gestopfte Pfeifen reichte – Ferdinand raucht nicht – wurde das Nöthige Vorläufige über Wetter und dergleichen abgesprochen. Auguste kam zurück, ihr folgte die Magd mit dem Theegeräth, das siedende wohnlich singende Wasser wurde nicht gar fern gestellt – Auguste trug selbst das feine Porzellanservice herbei, sie bereitete den bräunlichen Trank und schob schöngemalte verschieden geformte Bechertassen ihrer Schwester und Ferdinand hin, der wegen Verschmähung des Weins und Tabacs mancherlei Spott von den Männern erdulden mußte. Aber, begann jetzt der Apotheker Bissing, das ist der braune Mann, haben Sie schon vernommen, daß Marie Möhneke von Frankenhagen gestern erschossen ist? – Niemand hatte davon gehört, man drang in ihn zu erzählen, vorzüglich erkundigten sich die Mädchen mitleidig, welche wie sie sagten, Maria vor einigen Jahren bei einem ländlichen Feste gesehen hatten, und denen

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_193.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)