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Verschiedene: Wünschelruthe


Weges.“ – Wie dem armen Meister Raimond bei dieser Erzählung zu Muthe war, kann man sich leicht vorstellen. Er verließ Nerino im höchsten Zorn, und beschloß, sich auf das bitterste zu rächen.

Sobald Nerino sich wieder bei der Dame seines Herzens befand säumte auch Raimond nicht, sich einzustellen. Genobbia hörte ihn nach Hause kommen, öffnete schleunig einen Schrank der in ihrem Zimmer stand und verschloß den Jüngling darinn. Der argwöhnische Ehemann trat mürrisch herein, störte in allen Winkeln herum, als wäre ihm etwas abhanden gekommen, zog die Bettvorhänge aus einander, schob die Kasten auf, und da er nicht fand was er suchte, riß er außer sich vor Wuth, einen Feuerbrand aus dem Kamin und steckte wie ein Rasender das Zimmer an allen vier Ecken an, entschlossen es mit allem was darinnen sei zu verbrennen. Schon hatte die Flamme die Mauern und das Gebälk ergriffen, als Genobbia sich von dem ersten Schreck über das rasende Benehmen ihres Mannes erholte und ihm zurief: „Was soll dies heißen, mein Herr? Sind Sie etwa toll geworden? Wollen Sie ihr Haus abbrennen, so brennen Sie es nach ihrem Gefallen ab, nur bitte ich mir’s aus, den Schrank dort unversehrt zu lassen, der die Papiere enthält, die mein Heirathsgut betreffen.“ – Und damit ließ sie vier tüchtige Lastträger rufen, und den Schrank hinüber in das Haus der alten Nachbarin tragen, wo sie Nerino in vollkommner Sicherheit wußte. Indessen stand Raimond noch immer auf der Lauer ob nicht der Gegenstand seiner Wuth aus irgend einem Schlupfwinkel hervorkommen würde, um dem immer mehr um sich greifenden Feuer zu entgehen. Er sah aber nichts als den unerträglichen Rauch, der in die Luft stieg und die lodernde Flamme die an seinem Hause zehrte. Schon waren die Nachbarn herbei gelaufen der Gewalt des Feuers Einhalt zu thun, und es gelang zuletzt ihren vereinten Bemühungen es zu löschen.

Am Morgen darauf trafen die Beiden wieder auf der Straße zusammen. Nerino lief auf den Doktor zu: „Freundchen, sagte er, ich muß euch etwas erzählen, das euch ungemein belustigen wird.“ – „Und das wäre?“ fragte Meister Raimond. „Ich bin gestern auf eine sonderbare Weise der aller drohendsten Gefahr entgangen, in der sich nur ein Mensch befinden kann. Ich hatte mich bei jener reizenden Dame eingefunden, und war eben im vertraulichen Gespräch mit ihr als der Mann nach Hause kam, alles über und unter einander warf, und als er nicht fand was er suchte, das Zimmer an allen vier Ecken ansteckte, und alles was sich darinn befand verbrannte.“ – „Und ihr, fragte jener begierig, wo waret ihr indessen?“ – „Ich steckte in einem Schrank, den sie aus dem Hause sandte.“ – Als Meister Raimond dies vernahm, und nur zu gut wußte, wie wahr es sei, glaubte er vor Aerger und Wuth sterben zu müssen, allein er verbarg sein Gefühl, so viel er es vermochte, mit dem Vorsatz, sich eine ausgezeichnete Rache zu verschaffen. – „Und werdet ihr dennoch wieder zu ihr gehn?“ fragte er. „Warum sollte ich nicht, antwortete jener, da ich dem Feuer so glücklich entgangen bin, was habe ich noch schlimmers zu befürchten?“ – Ehe sie schieden lud Meister Raimond den Spanier noch ein, am morgenden Tage bei ihm zum Mittage zu essen, und jener nahm die Einladung bereitwillig an.

(Der Schluß folgt).




Torquato Tasso’s befreytes Jerusalem
Sechster Gesang.




(Fortsetzung).
68.

Den Freund zu heilen, dahin geht ihr Trachten,
     Und pflegen soll sie hier des Feindes Leben:

115
     So daß Gedanken oft in ihr erwachten,

     Mit argem Todeskraut ihm zu vergeben.
     Doch muß sie bald so schnöde Kunst verachten,
     Wovor die fromm jungfräul’chen Hände beben;
     Das aber wünscht sie, daß die Kräutersäfte

120
     An Ihm verliehren all die Heilungskräfte.


69.

Und ohne Beben würde schon sie gehen,
     Wie fremd sie war, in all die Feindesschaaren.
     Denn oft schon hat sie Schlacht und Mord gesehen,
     Ein mühevoll und schwankend Loos erfahren,

125
     Daß Herz und Keckheit zu Gebot ihr stehen,

     Mehr als sie durch Geburt ihr eigen waren;
     Daß nicht so leicht gleich überall sie stutzet
     Und den geringern Schreckensbildern trutzet.

70.

Vor Allem scheucht der kühne Gott der Minne

130
     Dem weichen Busen jegliches Besorgen;

     Bey Tigern glaubte sie und mitteninne
     Bey Asiens Gift und Schlangen sich geborgen.
     Doch bangt es jetzt auch ihrem kühnen Sinne
     Um’s Leben nicht, macht doch der Ruf ihr Sorgen.

135
     Im Herzen kämpfen zwey feindseel’ge Triebe,

     Und zwey gewalt’ge Gegner: Ehre, Liebe.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_187.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)