Verschiedene: Wünschelruthe | |
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Steckt diese Bäum’ in ihre nackte Brust!
Tugend. Wie viele Reiche bin ich durchgewandert,
Gedeihen mögten! doch kein Boden war
Geschickt; verhaßt ist Tugend ganz und gar.
Find’ ich, daß sie auch hier in diesem welken,
Flieh ich gen Himmel, wo ich her gesandt
Laster. Tugend, ich bin dein Feind. Wenn du dort pflanzest,
Grünt hier mein Baum, dem deinen gegen über,
Und soll wie Winden seine Arme stricken,
Dein krankes Grün umfangend zu ersticken.
Die Tugend weg, hätt ich allein die Ehre.
Fortuna. Ihr, die Ihr diesem lichten Teufel dient,
Und jener armen Heilgen, schaufelt jetzt,
Indeß ein Lied des Priesters Euch ergötzt.
(Während der Priester singt, setzen die übrigen die beiden Bäume in die Erde ein).
O weh, o weh! o jämmerliche Zeit!
Laster blühet, Laster glorreich schimmert,
Streckt goldne Aeste Cedernhoch und weit!
Laster herrscht mit Macht in jedem Land,
Tugend ist aus jedem Staat verbannt,
Denn ernst ist Tugend, Laster lächelt hold.
Tugend stirbt in Thränen, weh, o wehe!
Und Laster lacht voll Tücke, (schnöde Zeit!)
Das Gute fällt, das Böse wuchert weit!
Kein Lied, nur Trauer ziemt für dies Geschlecht,
Wo Laster Fürst ist, Tugend aber Knecht.
Laster blühet, Laster glorreich schimmert,
Fortuna. Blüht oder welkt! Fortuna kümmert’s nicht!
Gleichgültig, wie die Sonn auf jeden Wechsel
Schaut unsre Hoheit. Gut’ und Böse haben
Den gleichen Antheil an des Zufalls Gaben. (Sie zeigt auf die Bäume.)
Die Menschen bin zu ihrer Schönheit locken.
Der Hain hier werde unser Tempel. Künftig
Sei er geheiligt unseren Gottheiten.
Tugend. Wie selten einer, der mich liebt und kennt!
Fortuna. Sieh, arme Tugend, deinen Blicken fehlt
Der buhlerische Reiz, das thut mir Leid.
Die Blätter hangen wie des Herbstes Haar,
Das jeder Windstoß höhnend nieder weht.
(Zeigt auf die Narrenkappe). Warum setzt man dir auf die Schellenkappe?
Dein weiter Hof, ist offen; niemand drinnen.
Warum ist unbetreten deines Tempels
Krystallner Boden? Alles dieses darum,
Dem Auge wilde Liebesglut gebricht.
Tugend. Der Tugend Zier ist ein gewöhnlich Kleid.
Fortuna. O, armer Narr! Nicht dieses Bild der Reinheit,
Noch sibi sapit vorn auf deiner Brust
Nein, dieses Balls gewaltig kreisend Rad
Ist um, und steht, wo es begonnen hat.
Auf Krücken ging die Welt erst gestern noch:
Jetzt ist sie bettlägrig, und ist so alt,
Kindisch ist ihr Gemüth, und närrisch ganz,
Und Narrn und Kinder freuen sich an Tand.
Drum, Tugend, nimm wie Laster goldne Larve,
Häng deinen Busen voll mit Silbermonden;
Wie hell der Mond im Perlenkranze schwillt,
So werd ihr Herz mit Himmelslust gefüllt.
Tugend. Die Tugend trägt nicht ein erborgt Gesicht.
Fortuna. Wie hast du denn den Narrenhut erborgt?
Es ist mein Stolz der Thoren Hohn zu tragen.
Fortuna. So traur’, und stirb denn aller Welt verhaßt.
Tugend. Nicht aller Welt. Noch Einmal will ich wandern.
Weisheit auf selgen Schwingen flüchtete
Errichte einen Tempel, weile dort.
Wenn Laster, wenn Fortuna schmeichelnd blickt,
Dies treue Herz wird nimmer mir entrückt.
Dann werf ich von mir, was mich jetzt entstellt,
Ihr kriecht vor mir, die früher mich gequält[1].
- ↑ Anspielung auf die Königin Elisabeth.
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_174.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2018)