Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 154.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe

bänglich so heiß im Gemach; komm mit in den Garten!“ Und als sie an der Hand der Unschuld durch die schwankenden Gräser schritt, und ein milder schmeichelnder West ihr über Wange und Busen streifte, wards ihr um ein Bedeutendes leichter, und sie verwieß sich nun die trübe fast unwillkührliche Seelenstimmung, ward wieder heiter und unbesorgt und widmete sich ihrem häuslichen Walten.

Indessen hatte sich Edmund aus seiner Wanderung nicht gesäumt und war eh der Mittag vorherging schon über den höchsten Gebirgsgrad hinaus und bereits weit gegen Süden geschritten. Seltsame Bilder umgaukelten ihn; Zauberer, Schlangen und böse Greiffe, die er bald siegend bald fallend bekämpft, doch Marien treulich im Auge behalten, sah auch ein fremdes Frauengesicht ihn dabei recht verführerisch an und winkte ihn vertraut in ihre Nähe. Dann fiel ihn auch wohl ein, daß er als junger unerfahrner Mann sich doch recht früh schon versprochen habe, und eine weibliche Stimme neckte ihn: Du kennst ja andre Mädchen nicht einmal und hast dich schon ganz an eins gebunden? - Doch schlug er sich Alles bald aus dem Sinn, gedachte nur Mariens tadelloser Liebe, ja sezte sich vor, so schnell als möglich in ihre Arme zurückzufliehn, um sich dann niemals mehr von ihr zu trennen.

So träumte er sich dem Rheinthal immer näher. Veredelte Kastanien umrauschten ihn, und der Duft des blühenden Weins der sich hier malerisch an Geländern ringelt, nicht wie im Norden an Stäben rankt, gab ihm ein neues heimliches Gefühl, im Schatten der eigenen Reben zu wohnen, die rings umher manch niedres Winzerdach mit ihrem grünen Geflecht überstrickten. Auf einmal wich die Rebenumschattung; er trat auf die meergleiche Ebne heraus, und wie einst Gottfried das heilige Land, sah er entzückt den gewaltigen Rhein sich vorwärts mit dem Neckar verbinden; stand er in Mitte eines Rundgewäldes, das von der Bergstraße stolz basirt, in endlose Fernen überging, - von den Thürmen von Speper bis nach Worms manch’ paradiesische Landschaft öffnend - und von den Höhen des Hundsrück und des Taunus in duftig weiche Schatten gehüllt. „Das ist der herrliche deutsche Rhein!“ rief er in überwallender Freude, warf alle Sorgen der Zukunft hinter sich, und wandelte lustig nach Heidelberg hin, das er in kurzer Zeit auch erreichte.

Er fand diese Stadt in voller Bewegung. Eine reiche Erleuchtung, zu Ehren des anwesenden Landesherrn, kämpfte bereits mit dem scheidenden Tage, und als kaum der Abendstern sichtbar ward entzündeten sich die zahllosen Kerzen und stiegen bis in die Zinne der Burg die wie ein eherner Riese niedersah und die neue mit der ältesten Zeit in eine seltne Verbindung brachte. Der Strom nahm das majestätische Glanzbild auf und gabs dem Beschauenden doppelt wieder, und auf der dunkeln Tiefe spielten Lichter und flammten und funkelten wunderschön in die unendliche Sternenklarheit; und der Schlagschatten des Gebirgs umfing das Ganze schauerlichromantisch, - ja auf den Höhen der Templerburg ließen sich schweifende Lichter schaun, als deuteten sie die Hieroglyphen der Vorzeit.

Solch einen Abend, in solchem Maaßstab und Charakter hatte Edmund noch nie erlebt - die gewaltigste Rührung wuchs in seiner Seele, und wie sich der Mensch in solchen Augenblicken meist nach dem gleichgestimmten Herzen sehnt, um seinen Gefühlen irgend Raum zu geben, ging auch ihm eine schmerzliche Sehnsucht auf, irgend ein treues Gemüth zu umfangen dem er sich inniglich anvertraun, an seiner Brust sich ausweinen könne. Da fühlte er einen leisen Schlag auf seiner Schulter, und einer seiner frühsten Jugendfreunde am Arm einer hohen Brünette stand neben ihm, der ihn mit Innigkeit an sich drückte. Nach der ersten Begrüßung ergab sich bald, daß Baron Holm, - so hieß der Freund - mit Antonien seiner schönen Schwester auf einer Schweizerreise begriffen, Heidelberg nur flüchtig berührt, doch von der herrlichen Umgebung hingerissen, noch einige Tage hier verweilen werde, bevor er längs dem Oberrhein weiter zu gehn und in ein paar Monaten wieder heim zu reisen gedenke. Man kam zu dem nähern Reisedetail und Holm bot seinem Freunde einen ledigen Platz im Wagen an, recht dringend um seine Begleitung bittend, da ihm noch sehr erinnerlich sey, daß Edmund einst keinen regeren Wunsch gehabt, als dieß Idyellenland kennen zu lernen. Dieser fühlte sich freudig überrascht, seinen Lieblingsplan so unerwartet nah gerückt zu sehen, und nichts in der Welt außer seinem Verhältniß zu Marien, konnte ihm irgend in Wege stehn. Als daher Holm immer dringender ward, ja auch Antonie ihr unterstüzte, schlug Edmund mit dem Vorbehalt ein, Mariens Zustimmung einzuholen, die er jedoch, ihrer Nachgiebigkeit gewiß, schon unbezweifelt verheißen könne. Holm scherzte über den zärtlichen Bräutigam, widerstrebte jedoch seinem Pflichtgefühl nicht und bat nur um schnelle Absendung des Schreibens, um bald zu erfahren woran man sey.

Am folgenden Tage schon erhielt Marie Edmunds Brief und erschrak sehr als sie vernahm, welche lange Trennung ihr entgegen drohe, die überdem durch die Gesellschaft einer jungen Dame, mit der Edmunds Reise vor sich gehen solle, noch um ein Großes an Besorgnissen wuchs. Jedoch ein ungewöhnlich tiefer Friede kam in dem Augenblick in ihr Herz, und eine Stimme flüsterte ihr zu: So eben hat sichs gestalten müssen um

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)