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so erbaut, sagt man, daß es darin nicht regnete. Ueberdies wird von seinen Bädern allerlei unglaubliches erzählt[1].

[2]Einige glauben auch, er sei der Verfertiger jenes Wunderwerks gewesen, welches die Rettung Roms hieß, und das unter den sieben Wunderwerken der Welt für das erste gehalten wird. Dort waren aber geweihte Bildsäulen aufgestellt, welche Bildsäulen auf der Brust die Namen desjenigen Volkes aufgeschrieben trugen, dessen Abbild sie waren. Und an dem Halse jeder Bildsäule hing eine Klingel. Priester wachten Tag und Nacht bei denselben. Und welches Volk sich zu empören versuchte gegen die Herrschaft der Römer, dessen Bildsäule bewegte sich, und seine Klingel am Halse schellte; ja, wie einige hinzufügen, die Bildsäule selbst streckte alsbald den Zeigefinger aus nach jenem Volk, und nach dem Namen jenes Volks, den sie auf der Brust trug. Diesen aufgeschriebnen Namen brachte der Priester sogleich den vornehmsten, und alsbald ward ein Heer ausgesandt, um dies Volk zu unterwerfen.




(Die Fortsetzung folgt).




Das Kätzchen und das Mäuschen.




(Fortsetzung).

Bei der Eil, in welcher die alte Meisterin mit Helenen noch spät aus dem kleinen Haus gegangen war, hatte sie es offen stehn und die Lampe im Kämmerlein brennen lassen, so daß es dem einstweilen still eingetretenen Gottfried ganz wundersam und höchst bang’ zu Muth ward, und ihm das Licht in den Blicken verlöschen wollte, Thränen ihm aus den Augen schoßen. Die Bedeutung seines Traums, seiner ganzen Seelenangst in der lezten Zeit, trat ängstigend, mit erneuter Gewalt vor ihn hin; von der Mirte, die im Fensterlein stand, schien ihm ein Zweig zu Helenens Todtenkranz gebrochen, es ward ihm, als sei die alte Mutter bei’m tiefen Abend ausgegangen, Helenens Gruft noch mit grünen Kränzen zu schmücken, oder als sei diesen Abend das Begräbniß, und die Mutter stehe vielleicht eben bei Fackelschein am Sarge des einzigen Kindes, der zum letztenmal offen; die Rosen, die er im Traum gesehn, sey’n die Jungfrauen der Stadt, die den Sarg umgäben, und das Feld umher sei voll Lilien aus Schnee. Da sezte sich Gottfried in den Sessel der Mutter, faltete seine Hände über dem Tische davor, auf dessen Teppich die einsame Lampe stand, und betete aus seinem tiefsten dehmüthig und inbrünstig zu Gott, daß er ihm diesen schweren Stein vom Herzen nehmen und diese bitteren Thränen trocknen wolle.

Und wie er noch so da saß, und aus dem Dunkel seiner Herzensnoth zum ewigen Licht blickte: da schwebte das bleiche liebliche Mädchen, wie vom Tod’ erstanden, an der Mutter Hand herein, und ohne auszuschrein oder ein Wort zu sagen, streckte sie die beiden Arme dem Bräutigam entgegen, der mit sanfter Wehmuth vor ihr dastand. Ich bin gerettet! rief Helene aus, und reichte ihm die Hand, und wie die Mutter sagte, erhole dich nur erst, armes Kind, da weinte Helene sanft, lächelte die Mutter an und sprach, mir ist schon wieder frei um’s Herz, und Gottfried hat gewiß für mich gebetet. Ja das habe ich aus Herzensgrund für dich und mich, antwortete Gottfried; und nun bist du mir ja geschenkt!

Helene fand die liebreichste Verzeihung bei Gottfried, dem sie alles bekannte. Beider Herz schlug wieder frisch und frei, und sie brachten nun recht schöne und geseegnete Feiertage mit einander zu. Die Mutter buck sehr wohlgerathene Kuchen, Gottfried hatte das Gewölbe mit Helenen zum Christabend sehr lieblich mit grünem Buchsbaum und mancherlei Figuren und Ausstellungen geschmückt, und alle Leute beeilten sich, ihren Bedarf zum Bescheerungs- und Weihnachtsfest in dem Laden zu kaufen, worin Helene zum letztenmal im Glanze der Wachsstöckchen und Lichter, selbst recht wie eine süße sonnige Christfreude saß; und dem Kätzchen Gottfrieds ward von beiden schön gethan, es hatte sich am Tage von Gottfrieds Ankunft so gar emsig gewaschen und geputzt, was einen Besuch bedeutet, und Gottfried so wie Helene nannten das häusliche, freundliche, schmucke Kätzchen

  1. Vergl. hiemit die Erzählung des Gervasius bei v. Dobenek. S. 188.
  2. Creditur etiam a quibusdam ab eo factum illud miraculum, quod dicebatur Salvatio Romae, quod inter septem miracula mundi primum computatur. Erat autem ibi consecratio omnium statuarum, quae statuae scripta nomina in pectore gentis, cujus imaginem tenebant, gestabant: et tintinnabulum uniuscujusque statuae collo appendebatur. Erantque sacerdotes die ac nocte semper vigilantes, qui eas custodiebant: et quae gens iu rebellionem consurgere conabatur contra Imperium Romanorum, statua illius commovebatur, et tintinnabulum illius movebatur in colle ejus: et, ut quidam addunt, statua ipsa mox digitum indicem protendebat versus illam gentem, et versus nomen ipsius gentis, quod in ea erat scriptum. Quod nomen scriptum continuo sacerdos principibus deportabat: et mox exercitus ad eam gentem reprimendam mittebatur. Vergl. hiemit eine Stelle in dem Liber de Mirabilibus Romae in Montfaucon’s Diarium Italicum (Parisiis 1702 p. 288).
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_139.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2018)