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Verschiedene: Wünschelruthe

Gewalt, Geld und Gunst schwächt Recht, Ehr’ und Kunst.




Rondel.

Von Clotilde de Vallon-Chalys.







     „Des Wolfes wegen, gehe nie alleine!“
Sprach mir so oft die Mutter, daß forthin
Ich immer zitterte, führt’ ich nicht eine
Zof’ oder Diener mit in Wiesengrün

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Und Wald im Lenz, wenn die Violen blühn.


     Ein Wolf, zahm wie ein Häschen war um ihn
Als grad ins Schloß zum erstenmal hereine
Mein Liebster kam; ich Schwache dacht’ ans Fliehn
 Des Wolfes wegen.

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     Sprach rasch mich an; bey seinem Reden feine

Glaubt’ ich zu hören einen Amorin;
Anworten wollt’ ich; Stimme fand ich keine
Und stärker zittr’ ich, seit ich ihn sah ziehn.
Doch ists nicht mehr, sehr fühl’ ichs arme Kleine,
 Des Wolfes wegen.

F. G. Welcker.




Das Kätzchen und das Mäuschen.




(Fortsetzung).

Helene betrachtete die weiße Maus, die der Rattenfänger in der Hand hatte, und das schneeweiße Thierchen mit den kleinen Rubinenaugen gefiel ihr sehr wohl, sie begehrte es auch zu haben und wußte nur nicht gleich, wo es hin thun, damit es vor der Katze gesichert wäre, die geschäftig um Helenens Füße herschlich. Da fiel ihr ein, sie wollte das Mäuschen unter eins der Zuckergläser thun; aber der Rattenfänger[WS 1] zog aus seinem Kram eine feine gläserne Glocke hervor, und verehrte dieselbe Helenen, welche sie ihm erst abkaufen wollte, aber, wie sich der Mann mit seinem blitzenden Auge darüber beleidigt stellte, fast aus Furcht vor ihm die Glasglocke annahm und die Maus darunter that. Hütet das Thierchen nur vor der Katze da, sagte der Rattenfänger, und sprühte einen flammenden Blick auf Gottfrieds Kätzchen, das mit dem Schweif hin und her wedelnd, im Kreis um den krystallenen Zwinger der weißen feenhaften Maus herumschlich. Diese lief dagegen unter der Glocke hin und her, und so oft sie das Glas berührte, klang es so ganz eigen und wunderbar, gleich dem Tone, wenn in der Ferne ein geschliffen Glas zerspringt. - Was bin ich euch für die Mühe schuldig, fragte Helene, das Auge nach dem neuen Spielwerk gesenkt. - Ich will jetzt nichts von euch haben, sprach der Rattenfänger, denn fände sich, daß ich die Ratten und Mäuse nicht recht vertrieben hätte, so wäret ihr betrogen; aber binnen einiger Zeit komm’ ich wieder und frage nach, ob ich gut gebannt habe, dann sollt ihr mir meinen Lohn zahlen. Helene wurde wieder roth und wollte dem zudringlichen Menschen seinen Lohngroschen aufdringen; er aber sah sie mit dem glühenden Blicke an, vor dem das sanfte blaue Veilchen ihres Augs sich an die Rosen ihrer Wangen barg, rührte die Seiten wieder, und sang dazu.

Wo Spiegelfenster schimmern,
Und Zuckerbrödchen flimmern,
Sieht’s zauberhaftig aus,
Gern wohnt’ ich in dem Lädchen,

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Bei’m allerschönsten Mädchen,

Ging’ gern nicht mehr heraus
Aus dem krystallnen Haus.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage Rattenfäger
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_125.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)