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knüpfte - denn das geliebte Mädchen als fahrender Ritter durch alle Welt zu suchen und durch heiße Kämpfe ihr zu dienen, das war sein fester Entschluß - sein schönster Wunsch. Er wollte gern ein Andenken mit von dem Ort nehmen, das er als Zeichen an seinen Schild stecken könne. Sein erster Blick fiel auf den silberglänzenden Vogel, der einen goldnen Ring von schöner Arbeit am Halse trug. Er stieg in die Höhe und zog dem Vogel durch die geöffnete Thür des Käfichs die schönste schimmernde Feder aus. Er hörte außen die Alte kommen, und sprang schnell hinab ohne den Käfich wieder zu verschließen. Da sprang die Alte wild hinein: ach, mein schöner Vogel - rief sie, krächzend - ihr Bösewicht - was habt ihr dem unschuldigen Thiere den schönsten Schmuck geraubt - nur her die blanke Feder - ich habe außen im Feuer alles gelesen - ihr entgeht mir nicht! Mit einem langen Messer wollte die Alte auf Franz los - er sprang aber aus der Thür; am Arm hatte sie ihm ein Kreutz geschnitten. Mit ihm flog der Vogel, aus dem geöffneten Käfig zur Hausthür hinaus, singend:

Blaue Luft
Wie bist du schön
Süßer Duft
Ist in freien Höhn -
Auf Widersehn, auf Widersehn
Ade, ade. -

Franz hatte einen nahen Felsen bestiegen; er sah sich um, in’s Thal hinab - am entgegengesetzten Ende verschwand der Vogel eben am fernen Horizont in dem blauen Wolkengürtel - die Alte brüllte fürchterlich in ihrem Königreiche - der Hütte - daß die Felsen ihr wildes Klagen durch Widerhall beantworteten. Der Ritter suchte nun den rechten Pfad nach seiner Burg auf - und kam bald unter mancherlei Gedanken und Plänen bei den Seinen an. -

Franz sann nun unaufhörlich seinem herrlichsten Plane nach - das geliebte Bild seines Herzens auf Erden zu suchen, und nach Ritter-Weise darum zu dienen. Viel Knechte wurden herrlich gerüstet - ihre Schilde waren alle silberfarb - und die Rosse trugen schimmernde Decken von silber-glänzenden Zeuge. - Jeglicher Knecht bekam auch ein schönes Roß - und Franz nahm zwei gute Fidler in seinen Dienst, die ihm schöne Weisen von Frauen und Liebe spielen mußten! Er selbst trug einen Harnisch von lautrem Silber, sein Schild war himmelblau mit Karmin und in der Mitte war die silberne Feder von einem guten Meister eingegraben; sein Roß war weiß wie der Schaum an der See! - Der Winter war vorüber - der Frühling klopfte mit warmer Hand an die Bäume, so daß grüne Blätter die kahlen Arme umschlossen, und singende Vöglein ihr Nest darin bauen konnten. - Die Luft war warm und duftend von jungen Blüthen - der Himmel wölbte sich blau über dem neugebornen Kinde - der erwachten Erde - und die jungen Burschen durchzogen mit frohern Singen in das grüne Feld. - Da erscholl lauter Ruf durch das Land; der König war gestorben - und seine Erben wollten den goldnen Thron besteigen, aber es war Streit darüber. Denn es war sonst ein andrer König im Lande gewesen, der war plötzlich verschwunden mit Frau und Kind - die Leute sagten er sei vom mächtigem Zauber gefesselt, von seinem eignen Gemahl entführt worden. Der war nun wiedergekommen mit seiner Frau und großer Heeresmacht, um das alte Stammland wieder zu erobern und die ungerechten Erben zu vertreiben. Nur seine Tochter fehle ihm, die schöne Jungfrau - welcher Ritter ihm tapfer das Land erobern helfe, und dann das liebe Kind Fredegund wieder fände, der solle sie zum Ehegemahl haben und dazu den goldnen Scepter über das ganze Land führen, nach des Vaters Tode. - Solche ritterliche Kunde kam zu Franzens Ohr; er dachte in seinem Herzen, das verlorne schöne Königskind, soll wohl mein blauer Vogel sein - denn der ist gewiß eine königliche Maid - sie sang so herrliche Weisen, daß mein Herz sie noch immer singen hört. Dafür will ich, bei meiner Seel und Seligkeit, kämpfen, so lange das rothe Blut noch in meinen Adern schwimmt! Mit Windeseil’ saß Franz auf seinen guten Rosse, das[WS 1] so weiß war, wie der Schnee der im Winter auf schöne Eisspiegel fällt - seine Knechte folgten ihm und auch die beiden Fiedler die sangen:

In’s grüne Feld
Durch den grünen Wald
Ziehet der junge Held
Mit kühner Gewalt;
Eine schöne Maide suchen wir,
Viel helle Schwerter blinken hier!
O schöne Maid, o schöne Maid
Wir fahren, wir fahren
Durch Kriegsgefahren
Zu der rosenrothen Hochzeit!

So zogen sie wohlgemuth zu dem Könige, welcher sie mit Freuden empfing, und Franzen einen heil’gen Schwur auf sein Herz gelobte, daß er ihm die Tochter zur Frau geben wollte, wenn er brav für ihn gestritten und das einzige Kind aufgefunden hätte. - Bei dem Schwur rötheten sich Franzens Wangen, wie die einer Jungfrau, wenn sie eben vor dem Altar steht. - Auch er schwor dem Könige bei seiner blauen Feder, nie von ihm zu lassen und nimmer des süßen Schlummers zu genießen, bis er die hohe Jungfrau gefunden habe. -

(Die Fortsetzung folgt).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: daß. Siehe Druckfehler S. 136
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_107.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)