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sie wohl eigentlich Etwas anders gethan, als eine Jungemagd, die sich aus Neugierde mit der Hexensalbe der Grethlieschen einschmiert, und[WS 1] durch den Schornstein auf dem Besen zu der großen Assemblee des Blocksbergs zu fahren glaubt, wo sie in dem Bock einen hohen Helden verehrt, und den Satan, der auf einem Pferdeschädel mit ein paar Diebsfingerknochen klappert, für den Orpheus hält, während sie eigentlich im Starrkrampf in der Küche hinterm Spülfaß liegt oder in der Asche auf dem Herde sitzt. O ihr treibt ein entsetzliches Handwerk. Findet sich auch manchmal unter dem gemeinen Hexengesindel ein Faust ein, so wie[WS 2] Ekhof, Schröder, Fleck, so ist das Finale, wenn ihn der Teufel holt, nur etwas geräuschvoller, was hat er mehr gethan als die schlechte Comödie gut gespielt, keine Spur eines höhern Menschenlebens läßt er zurück. Höchstens rühmt sich der Amant, er habe Punsch mit ihm getrunken, höchstens daß eine mit allen Hunden gehetzte Jüdinn, welche alle ästhetische[WS 3] Hundekrankheiten überstanden hat, und nun etwa in überaltteutschem Somnambulismus Nacht in Tag wandelt, seinen Shylock über alle lebenden Shylocks erhebt. Hat er auch nur irgend eine Ahndung von der gänzlich verlohren gegangenen Bedeutung und Bestimmung seiner Kunst gehabt? Hat er sie irgend ausgesprochen? Herr, das konnte er nicht, er wäre sonst kein Schauspieler gewesen zu dieser Zeit, wo eben so wenig Ehre auf den Brettern zu holen ist, als seit langer Zeit. Aber ich predige tauben Ohren und vergesse was ich oben von dem Bandwurm sagte, der Sie sind, lieber Direktor, aber doch immer einer der erträglichsten. Warum ich doch mich mit euch verdammten Gesindel herumtreibe? fragen Sie - nein fragen Sie nicht - sehn Sie grade deswegen, weil Sie nicht darum fragen. Uebrigens hat in flacher Gegenwart, alles Zerstörte einen tiefen Reitz, der Mineralog bewundert den Stein am Bruch, und das ist das Beste an euch, daß ihr keinen eigentlichen Schliff habt, das heist, nicht einmal Schule. Abentheurer, Zigeuner, Räuberbanden, Amsterdammer und Prager Judenstraßen, Hundekomödien, Schauspieler, Wahnsinnige, Misgeburtem u. d. g. sind dem Dichter eben so interessant, als es einem grausamen Arzte je sein konnte in die Eingeweide einer lebendig aufgeschnittenen Katze zu schauen. Pfui Teufel! o wär es doch nicht wahr? Aber ob dieses Gelüsten zu euch nicht selbst schon ein Rapport ist von des Satans Magnetismus, das quält mich oft nicht wenig, und drum wehre ich mich wenigstens mit Worten. Nun auf den Calderon. Serenissimus würde Sie ins Tollhaus setzen? und mit Recht, meinen Sie, wenn Sie dergleichen aufführten. Ich sage dasselbe, und wäre ich Serenissimus, ich thäte es schon, ohne daß Sie den Calderon aufführten. Sie müßten mir wegen des ersten besten Stücks mit theuern Dekorationen und prächtigen Kleidern, und schlechten Schauspielern hinein. Ach[WS 4] Sie können also nie heraus, lieber Herr Direktor.

(Die Fortsetzung folgt).




Märchen vom Ritter und vom Vogel.
von W. v. Schrödter.

Zwischen hohen Bergen war ein schönes Thal, von einem lautren reißenden Bache gewäßert, von überragenden Felsen, wie mit einer Krone umkränzt. Es waren darin einzelne Hütten in denen Hirten und Holzwärter ein friedliches Leben am Herzen der Natur lebten; aber am einen Ende des Thales, wo es mit Felsen zugemauert war und keinen Ausweg hatte da war ein schwarzes Hüttchen, von dem keiner zu sagen wußte wem es gehöre und wie es in demselben aussähe; nur wußte man daß ein schwarzer Hund Nachts davor lag, den alle Leute fürchteten, und daß inwendig in der Hütte ein goldner Spiegel sei, der geheime Wunderkraft habe. - Es war Abends nicht weit von Mitternacht, als der Ritter Franz tief in sich gekehrt davor stand, unschlüßig, ob er hineingehen, oder den ermüdeten Fuß rückwärts setzend unter dem kühlenden Dache naher Buchen sein Nachtlager suchen sollte. Es war ihm in dem Augenblick wohl und weh zu Muthe - sein Herz klopfte ungewöhnlich von heißer Liebessehnsucht und ahnender Furcht. Früh Morgens war er ausgezogen mit seinem weißen Falken und den goldgelben Rüden; die Mittagssonne ließ ihn ruhen an einer Quelle, deren leises Flüstern ihm bald einen süßen Schlummer zuführte. Wunderbare Träume durchflogen sein Herz - ein silberner Wagen von Schwänen gezogen durchflog die Luft und senkte sich zu seinem Haupte; eine schöne Jungfrau mit goldnem Diadem stieg aus und drückte einen brennenden Kuß auf seine Stirn - in dem Augenblick sprang ein finstrer Mann herbei, mit langem Barte und riß die Jungfrau hinweg, ein blankes Schwert in der Rechten schwingend. Beide verschwanden und Franz erwachte. Wirklich kniete zu seiner Seite ein wunderholdes Mägdlein die aus ihrem herabfließenden Haar Blumen loswand, welche sie auf sein Haupt legte. Franz blickte eben in ihre großen veilchenblauen Augen in denen der Himmel der Seligkeit aus Demantsäulen zu ruhen schien - als sie, dem jungen Rehe gleich aufsprang und vor ihm verschwand. - Das Mädchen hatte mit ihrer Augen Glanz einen tiefen Schuß in sein Herz gethan - das Herz

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: um. Siehe Druckfehler S. 120.
  2. Vorlage: ein. Siehe Druckfehler S. 120.
  3. Vorlage: ästethische
  4. Vorlage: Auch. Siehe Druckfehler S. 120.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_098.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2019)