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Verschiedene: Wünschelruthe

Die Hand zwang Spanien. Diese Stirne füllt
Den goldnen Reif des reichen Portugal.
Viriat, ein Schäfer von Geburt, jetzt Herscher;
Hier Primislaus, Böhmens König, gestern
Ein Pflüger, dieser Mönch Gregorius
Erhoben jetzt zur Würde eines Papstes.
     (Zu den vier Königen).
Und nagt Ihr Armen nicht die Finger ab,
Zerbeißt die Zungen, da Ihr unten schmachtet,
Der deutsche Schneider, von Geburt verachtet,
Johann von Leiden, Münsters Krone trägt,
Die ihm Fortuna’s Gunst hat umgelegte ? -
(Zu Fortunatus). Wie diese, so will ich auch Dich erheben;
Sechs Gaben pfleg’ ich sterblichen zu geben:
Gesundheit, Weisheit, Schönheit, Lebensdauer,
Reichthum und Kraft. Nun nimm, was dir gefällt,
Und ich gewähr es.
     Fortunatus. Königin der Welt!
O, laß mir Zeit, mit Augen voll Entzücken
In deinen sonnenhellen Glanz zu blicken.
Gesundheit, Weisheit, Schönheit, Lebensdauer,
Reichthum und Kraft?
     Fortuna. Du willst dein Loos dir ziehn
Aus diesem Glückstopf, dir von mir verliehn.
Bedenk, die erste Wahl ist auch die letzte.
Drum wähle klüglich, denn des Schicksals Wort,
In Stahl gegraben, währet fort und fort.
Fortunatus. Ihr Parzen, Töchter Zeus und reiner Nacht,
Führt meinen Schutzgeist recht, der mich bewacht! -
Gesundheit, Weisheit, Schönheit, Lebensdauer,
Reichthum und Kraft?
     Fortuna. Noch Einmal höre mich!
Wenn Weisheit dein wird durch Vermählungskuß,
So haucht sie deinen Lippen Gottheit ein,
Und Wahrsagung, wie Phöbus, wirst du reden.
Dein gottbeseelter Geist auf Weisheits-Schwingen
Fliegt aufwärts hin zu Jovis Herschersitz,
Und liest die Satzungen der Ewigkeit,
Sieht was vergangen, lernt was künftig wird. -
Ergreifst du Kraft, so werden Heere beben
Von deinem Drohn. Dein Fuß zertritt die Reiche,
So wie der meine diese Könige. -
Willst du Gesundheit, bleibst du unversehrt,
Dringt noch so tief der Pfeil der Ueberfüllung
Bist immer lustig, schwärmst du noch so sehr. -
Doch wählst du Schönheit, wird in deinen Augen
Ein Paar von nackten Liebesgöttern schwimmen,
Auf deinen Wangen misch’ ich weiß und roth,
Daß Jupiter den Ganymed entfernt,
Und dich in seine Götterarme schließt. -
Begehrst du Lebensdauer? Nun, dein Faden
Soll lang sich dehnen; Königshäuser wirst du
Im Wechsel schaun, und sterben sehn die Kinder
Von jetzt gewiegten Ur-Ur-Ur-Großvätern. -
Wenn dich des Goldes schnöder Hunger peinigt:
Die hellen Stäubchen, welche ziehn in Schwärmen,
Den zarten Leib im Sonnenstrahl zu wärmen,
An Zahl sind sie den Haufen Goldes gleich,
Die reich und stolz vor deinen Füßen schwellen,
Unendlich sollen diese sein wie jene. -
Erwecke deiner Seele beste Gaben,
Und küsse des Geschickes milde Hand,
Da sein du sollst, wie du bisher genannt.
Könige. Halt, alter Mann, ihr Lächeln mordet dich.
Die übrigen. Nein, alter Mann, mit Wohlfahrt krönt sie dich.
Fortunatus. Wie bin ich außer mir! Wohin verzückt?
Bestürmt nicht milder mich des Herzens Drang,
Als Paris, wählend Troja’s Untergang?
Soll ich ein Bündniß mit der Weisheit schließen?
Dann fehlt mir Reichthum; und ein armer Weiser
Ist wie ein heilig Buch im Bücherschrein,
Für alle todt, und lebt sich selbst allein.
Denn diese Zeit schätzt einen schmucken Tropf
Weit mehr, als eines Weisen kahlen Kopf. -
Ich wähle Kraft; doch mangelt Lebensdauer;
Und wenn mein Arm auch zwanzig Welten zwingt,
Ein hagrer Bursche schlägt die Helden alle,
Die größte Kraft entschwindet mit dem Leben,
Der stärkste muß sich auch dem Tod ergeben. -
Nimm Lebensdauer, nimm Gesundheit - häßlich
Würd’ ich vielleicht; die Rolle beim entfalten
Kann wohl als Inhalt manchen Gram enthalten. -
Drum will ich Schönheit bitten; nein, doch nicht,
Die schönste Wange hat oft eine Seele
Wie Sünde krank, und schlimmer als die Hölle. -
Die Weisheit dieser Welt ist voller Einfalt:
Die Kraft ein schwaches Rohr; Gesundheit ist
Der Krankheit Feind, die letzte siegt doch endlich;
Schönheit ist Schminke nur; und Lebensdauer
Ist eine lange Reis’ im Wintermonat,
Langweilig und voll mancherlei Beschwerde.
(Er kniet nieder). Drum hehre Kaiserin, o, mach mich reich!
Ich wähle Gold, denn weise ist der Reiche,
Und wer stolzirt in reichen Kleidungsstücken

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_086.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)