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Verschiedene: Wünschelruthe


einer bessern Versorgung hingehalten wurde, ging er mit einem Grafen Lynar als Führer auf Reisen und besuchte in den Jahren 1760 bis 62 Frankreich, die Schweitz und Italien. In Rom wurde Winkelmann ihr Führer; Reifstein, der schon als ein Mann von gebildetem Geschmacke, als ein entschiedener Liebhaber der schönen Künste und selbst als ein geschickter Zeichner nach Rom kam, erwarb sich leicht Winkelmanns Achtung und Freundschaft, und wurde von dem den dortigen Merkwürdigkeiten und für das Alterthum ganz lebenden Winkelmann bald so gefesselt, daß er den Entschluß faßte, in Rom zu bleiben, selbst ohne vorher nach Deutschland zurückzukehren. Er begleitete den Grafen noch bis Florenz, wo er die Genehmigung seines Entschlusses von dem Vater desselben erhielt, und kehrte nun sogleich nach Rom zurück, das von jetzt an sein beständiger Wohnort wurde.

(Die Fortsetzung folgt).




Die alte Fabel von zwei Adlern.




Vor Zeiten war ein Adler, der hatte zwei Köpfe, und saß in einer alten, hochgewaltigen Felsenburg und herrschte über alle Thiere des großen Eichwaldes. Roß und Leu waren seine Räthe, Schwan und Nachtigall an seinem Hofe, und jegliches Thier hatte sein Amt, so es gut und ehrlich verrichten und davon Rechenschaft geben mußte, wenn der König Adler den Reichstag berief, mit den Unterthanen die Wohlfahrt des Waldes zu pflegen.

Einmal geschah es, daß ein fremder Adler übers Meer geflogen kam, der nur einen Kopf hatte, aber nach Art des heidnischen Götzenvogels Donnerkeile und Blitze in seinen Klauen. Der flog gerade über einen anderen Wald am Meere dahin, in dem die Thiere ihren König eben ermordet hatten, und sich nun in Verwirrung und Geschrei um die Herrschaft stritten. Alsbald warf er etliche Donnerkeile aus der Luft auf sie herab, daß die Thiere gewaltig erschraken, ihn für einen Wundervogel hielten, und deshalb sogleich zu ihrem Könige machten.

Das gefiel dem Meeradler gar wohl, und als er sich eine feste Burg im Walde gebauet, gedachte er, seine Herrschaft noch mehr zu erweitern. Machte also in den benachbarten Wäldern bekannt, er sey der alleinig ächte Königsadler, der Zweiköpfige aber ein falscher und widernatürlicher, die Thiere sollten daher alle den falschen verlassen, und ihm Treue geben. Da sagten aber die Thiere ihr doppelköpfiger Adler sey schon viele hundert Jahre ihr rechter König, der ihnen gar gut anstehe, und mit seinen zwei Köpfen und vier Augen ihnen sehr nützlich sey, dieweil er damit auch doppelt für sein Reich wachen und um so leichter sehen könne, wo es nicht mit Rechtem herginge. Schlugen ihm also sein Begehren rund ab.

Da sah der neue König Meeradler, er müsse das Ding anders anfangen, wandte sich also an etliche Große denen die vier Augen ihres Königes schon lange zuviel sahen, ihnen sagend, er wolle sie zu sich erheben und zu Unterkönigen machen, so fern sie ihm behulflich wären, den Doppelkopf zu fahen. Auch habe er nur zwei Augen, werde und wolle daher gar Vieles nicht sehen. – Die Großen thaten im Stillen dem also, und wie der Meeradler mit einer großen Schaar unversehens in den Wald des alten Königes einfiel, konnte der weiter nichts thun, als sich nach tapferer Gegenwehr in seine hochgewaltige Felsenburg zurückziehen. Die aber hatte er seit den vielen hundert Jahren seines Regimentes immer als ein hohes Heiligthum unbesieglich geglaubt. – Wäre das auch fürder geblieben, aber die Großen, so der Meeradler beschwazt, verriethen dem den geheimen Zugang.

(Der Schluß folgt).




Sprüche.

     Wer sein Selbst sucht, hat im Leben
Tod und Grab hier schon gefunden;
Wer sein Selbst dem Tod gegeben
Wird in ew’ger Lieb’ gefunden.




     Wenn Lieben kommt, muß Leiden gehn!
Lieb’ geht nicht ohne Leiden,
Ohn’ Leiden kann nicht Freud bestehn,
Drum Lieb’ ist Leid in Freuden.

Sigurt Albrok.





     Baue nicht auf ird’schen Muth,
Gieb dich stets in Gottes Hut,
Halt an Christi Lehre treu,
Woll’ nie an der Erde ranken,

5
Auf zum Himmel die Gedanken

Und doch still und demuthscheu,
Recht aus voller Seel’ geliebt,
Deine Kraft in Gott geübt:
So magst froh dein End’ erwarten,

10
Kommst gewiß in Gottes Garten.
H.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_076.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)