Verschiedene: Wünschelruthe | |
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Lindaraja, sprich, was blickst du
In das Wasser, seinen Weg sich
Hin zu nahem Schlosse bahnend?
Auf dem Schloß am Wasser wohnet,
Der den Gatten ihr erschlagen,
Stolzen Sieg davon getragen.
Er ist Graf von Barcelona,
Will die Wittwe nun empfangen,
Und sie soll im Schloß vergessen
Dieses überdenkt sie trauernd,
Wie sie kommt dem Pallast nahe,
Vor des Grafen Anblick schauernd,
Den sie nimmer noch ersahe.
Ihre Augen nach den Wassern,
Vor’ger Tage still gedenket;
Und mit immer, immer nassern
Blicken denkt sie eines Ritters,
Den sie einst durch goldnen Gitters
Blumen grüßte, Blum’ an Adel.
Der ihr Herz ihr dann gewonnen,
Den ihr weißer Arm umfangen,
Sah sein Ritterbildniß prangen,
Dem sie in die Seele stralte
Auch ihr Herz zur Gegengabe,
In sein Herz es brennend malte
Liebewund von Amors Pfeile,
Zog der Ritter drauf von dannen,
Auf der letzten Küsse Rosen
Viele heiße Zähren rannen. –
Auf des Wassers Grund sich male,
Aus dem Spiegel ihr entgegen
Schimmre in der Thrän’ Opale.
Und die Süßigkeit der Thräne
Daß sie, treulos dem Gemale,
Um ihn schlug der Arme Ranken.
Seinen Namen nannt’ er niemals,
Wollt’ sein Bild ins Herz nur graben,
Bald vom Staub gereinigt haben. –
Und jetzt sind sie unterm Schlosse,
Auf dem luftigen Altane
Steht der Graf von Barcelona,
Schönern Ritter sah man niemals
Neigen sich vor einer Dame,
Und sein Antlitz sagt, ihn schmücke
Auch des bravsten Ritters Name.
Blickt empor, wie Tön’ erschallen,
Und dann läßt sie plötzlich wieder
Ihre Blicke niederfallen.
Plötzlich knüpft die Perlenschnüre
Und den Jungfraun allen sagt sie:
Fröhlich! spielt und singt zum Tanze!
In die Wellen will ich tanzen,
Mich in Thränen zu begraben,
Dran soll sich mein Herz nicht laben.
Diesen Ritter, diesen Ritter,
Der den Gatten mir erschlagen, …
O ich kenn’ ihn, diesen Ritter,
Lindaraja! ruft der Ritter,
Lindaraja! vom Altane,
Und sie ruft noch: leb’ wohl, Ritter!
Und entschwebt dem goldnen Kahne.
Schwimmt sie fort im Wassertanze,
Und bald folgt’ ihr eine Quelle
Von viel heißer Thränen Glanze.
Wenn dein Herz so treu wär
So wahr wär wie’s mein,
So müßt’ deine Schwester
Mein Schwagerin seyn.
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)