Zehn Jahre sind nun verflossen seitdem ein Gelehrter, der Pfarrer J. M. Schleyer, die Grammatik einer von ihm selbst erfundenen Sprache in die Welt sandte. Seine Erfindung sollte das allgemeine Verständigungsmittel aller Nationen werden. Das war eine grossartige, weltbeglückende Idee! Welche Erleichterung würde doch eine allgemeine Sprache für den internationalen Verkehr bieten! Doch wie jede neue Erfindung, hatte und hat auch noch diese viele und heftige Anfeindungen zu bestehen. Zuerst regnete es von allen Seiten nur Spott und Hohn. Als Volapük (so nannte Schleyer seine Erfindung – vol = Welt, pük = Sprache) aber trotzdem Wurzel zu fassen anfieng, begann der Kampf ernst zu werden. Man glaubte anfangs Schleyers Volapük wolle die Nationalsprachen verdrängen. Doch ist diese Idee dem Erfinder vollständig ferne gelegen. Volapük soll eben nur ein internationales Verständigungsmittel werden, vorerst für den schriftlichen und in weiterer Linie für den nothwendigsten mündlichen Verkehr. Die Eigenschaften hierzu hat Volapük vollkommen. Sein Hauptvorzug besteht in seiner leichten Erlernbarkeit, das heisst, es ist viel leichter erlernbar als irgend eine der lebenden Sprachen. Diese Eigenschaft ist die Ursache, dass Volapük trotz aller Anfeindung heute schon über den ganzen Erdball verbreitet ist und in allen Ländern Anhänger besitzt.
Obgleich Volapük noch thatsächliche Mängel aufweist, ist der Beweis für seine Brauchbarkeit dennoch schon gelungen[1].
- ↑ Die vom Münchener Volapükcongress im Jahre 1887 geschaffene Volapükakademie ist bestrebt diese Mängel zu verbessern und es wird ihr auch gelingen. Die Akademie besteht aus Mitgliedern der hervorragendsten Nationen. Herr Prof. Kerckhoffs in Paris ist Director derselben.
Anonym: Volapük und seine Verbreitung in der Welt. Selbstverlag des Volapükistenvereines, Wien 1889, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vp_und_seine_Verbreitung.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)