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trat also erst dann ein, wenn eine Handlung da war, bei der man eben so klar sah, daß sie einen Urheber haben mußte, als man sich bewußt war, daß man diesen Urheber nicht errathen könne. Ursprünglich wurde daher auch wohl das Passiv durch ein Zeichen ausgedrückt, wodurch der Redende andeutete, daß ein Urheber da sei und daß er ihn nicht kenne. Man hängte vielleicht den Worten, welche die That selbst ausdrückten, den Satz an: ich weiß nicht, wer es gethan hat. Wenn nun diese Worte bei gleicher Gelegenheit mehrmals gebraucht wurden, so mußte es bald dahin kommen, daß sie geschwinder ausgesprochen wurden, mit dem Zeitworte, welches die Handlung bezeichnete, enger zusammengeflossen, und zuletzt einen Bestandtheil desselben ausmachten. Ob ein solcher Zusatz ursprünglich dem Zeitworte vorgesetzt, oder angehängt wurde, läßt sich nicht bestimmen. Im ganzen aber folgt so viel, daß ursprünglich das Passiv wohl durch einen kleinen Zusatz zum Zeitwort ausgedrückt wurde, welcher eigentlich das Zeichen der Unbekanntheit des Urhebers war.


Das Verbum medium bezeichnet eine Handlung, welche auf uns selbst zurückgeht: es gründet sich auf höhere Abstraction, und kann daher in einer Ursprache nicht wohl vorkommen.


Die Entstehung des Numerus läßt sich auf folgende Art erklären. — Der Singular fand sich von selbst; er war der ursprüngliche Numerus; die ersten Wörter wurden alle im Singular gebraucht. Nun sollte aber der Horde eine

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_315.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)