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Walther Kabel: Von Leuten, die im Gefängnis reich geworden sind. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 9, S. 233–236

Tricks zu erweitern. Starb ihm ein Exemplar, so fand sich schnell Ersatz. Als er im Juli 1902 das Gefängnis verließ, war er eigentlich schon ein gemachter Mann. Denn in den zwölf dressierten Katzen, die er mit in die Freiheit hinausnahm, lag für ihn ein schweres Kapital. Genau drei Wochen nach seiner Entlassung wurde er durch einen Agenten für ein Varietétheater in St. Louis engagiert, und zwar gegen eine Monatsgage, die so hoch war als sein früheres Jahreseinkommen als Lokomotivführer. Der einstige Sträfling erzielte mit seinen dressierten Katzen einen außerordentlichen Erfolg. Überall, wo er nun auftrat, bildete sein Dressurakt eine der Glanznummern des Programms. Er bereiste die ganze Welt, lebte sparsam und erreichte so, daß er sich nach sechsjähriger angestrengter Arbeit mit einem Vermögen von über einer Million ins Privatleben zurückziehen konnte.

Von besonderem Interesse für die Damenwelt dürfte es sein, daß der Erfinder der ersten Stickmaschine gleichfalls ein Sträfling namens Edward Cowper war, der wegen Totschlags in dem Gefängnis der kleinen Stadt Sherborne in England eine längere Strafe verbüßte. Sherborne besitzt große Seidenspinnereien, und bei einem gelegentlichen Arbeitermangel mietete sich der Direktor der Haagerschen Seidenspinnerei von der Gefängnisverwaltung eine große Anzahl Gefangener. Unter diesen befand sich der genannte Edward Cowper, der seines Zeichens eigentlich Maurer war. Auf Cowpers Geist wirkte nun der Anblick der komplizierten Spinnstühle mit ihren hin und her jagenden Spulen und Rädchen derart befruchtend, daß er sich allmählich die Idee zu einer Maschine ausklügelte, die die glatten Seidenstoffe mit Stickmustern versehen sollte. Er teilte diese Idee einem der Aufseher mit, einem Manne, der genug Verständnis besaß, um sofort das Wertvolle dieses Gedankens richtig einschätzen zu können. So erfuhr der Direktor der Spinnerei von der Sache, und auf dessen Betreiben wurde dem Sträfling Gelegenheit gegeben, im Verein mit einem geschickten Mechaniker die erste Stickmaschine zu bauen. Das Patent für seine Erfindung verkaufte Cowper dann für schweres Geld an ein Londoner technisches Bureau, und als

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Walther Kabel: Von Leuten, die im Gefängnis reich geworden sind. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 9, S. 233–236. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_Leuten,_die_im_Gef%C3%A4ngnis_reich_geworden_sind.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)