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Das eigene Wesen wird am meisten gefühlt, wo die Menge Anderer, die man vor sich sieht, den Eindruck des fremden Daseyns theilt und vermindert. Auf die Weise steht Jeder unter tausend Menschen einsamer in sich selbst da, als unter zehn, wo einer den andern genauer zu bemerken gezwungen ist. Im Walde tönt ein weites Rauschen durch alle Bäume, aber man bemerkt es nicht am einzelnen Stamme, in der Ebene hingegen hört man bey diesem auch den leisesten Lispel in den Zweigen.

Wenn der Garten und das Haus selbst durch mehrere tausend Lampen erleuchtet werden, was allemal zur Johanniszeit, wenn hier eine Maskerade gegeben wird, zu geschehen pflegt; so ist der Anblick des Ganzen gewiß schön und prächtig. Das Laub der großen Bäume, besonders der Silberpappeln, der Hecken und Büsche, alles scheint in einem Lichtmeere zu schwimmen. Über der Allee wölben sich flammende Bogen, das Haus selbst und der Tempel sind in ihren Umrissen, wie mit glühenden Zügen in freyer Luft gezeichnet. Eine schöne Musik ertönt am Eingange, und die Menschenmenge strömt

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/422&oldid=- (Version vom 12.12.2020)