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So, dachte ich, wiederholt die Natur in einem kürzern Zeitumlauf eine Scene, wie sie sie oben in den Ruinen des alten Schlosses, nur in weiterem Zeitenschwunge, dargestellt hat; — wie jezt hier den blühenden Baum, auf dem sich kurz zuvor Nachtigallen wiegten, ein Gespinst verschleyert; so decken Nebel der Vorzeit die Spuren der vollen Lebenskraft, die einst in diesen Ruinen wirkte. Der Mensch und die Larve der Ephemere haben endlich ihren Raupenstand gewechselt, und beyden gelingt es nur, ihre Gräber über ihr Daseyn hinausreichen zu lassen. — Die hohe Mauer hat sich an einigen Stellen noch sehr erhalten, auch in dem Innern der Ruinen stehen die Wände noch zum Theil, und zeigen selbst Spuren der ehemaligen Einrichtung in Resten von Streckbalken, Wandschränken und Treppen. Vor nicht vollen hundert Jahren soll man in der Schloßkirche noch Gottesdienst gehalten haben. Diese hat auch bis jezt noch dem Zahne der Zeit am kräftigsten widerstanden; wenigstens ist das hohe Kreuzgewölbe noch ziemlich vollständig erhalten. Da, wo dieses sich aus den Seitenwänden zu erheben aufängt,

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/393&oldid=- (Version vom 12.12.2020)