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eines Unglücklichen gefallen seyn, der trostlos hinaufblickte. Die Zeit, die den finstersten Kerker wie einen Pallast mit gleich freyem Schritt durchwandelt, hat ihn vielleicht erlöst, und unter meinen Füßen mag sein Staub gelegen haben. Doch wann er unschuldig litt, sollte aus seinem Staube sich nicht ein Engel der Rache erhoben haben, der die Strafen der Unterdrücker leidender Unschuld gerecht zu einer Ewigkeit verlängert? Auch die unverweslichen Leichen habe ich gesehen, die, der Sage zufolge, durch Mutterflüche einbalsamirt seyn sollen. Doch jezt, da die Kirche ganz neu umgebaut worden, hat die in das offene Gewölbe eindringende Luft schon angefangen, den Segen der Mutter Natur durch Verwandlung der schreckenden Reste des Lebens in Staub und Erde zum Theil wieder herzustellen; indessen sind die Gesichtszüge des Grafen von Schwerin, der 1726 starb, noch immer sehr deutlich sichtbar und kenntlich. Vor wenigen Jahren hatte die Leiche noch ganz das Ansehen eines natürlich schlafenden Menschen. Die Schwester scheint der mütterliche

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/152&oldid=- (Version vom 14.2.2021)