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Transkaukasien hat ein kontinentales Klima. Ungeachtet der bedeutenden Sommerhitze hält das Klima so ziemlich die Mitte zwischen dem des Kaukasus und dem der Schweiz; aber der Abstand zwischen den äußersten Temperaturpunkten ist in Transkaukasien doch viel höher. Je nach den einzelnen Orten schwankt er freilich, ist aber immerhin bedeutend größer als in dem westlichen Europa. In Eriwan, wo die mittlere Temperatur 10,8 Grad Celsius beträgt, erreicht dieser Abstand eine schreckliche Höhe, während er sonst doch erträglicher ist.

Auch die Schneegrenze wechselt häufig. Während sie auf dem Nordabhang des Kaukasus durch eine seltene Anomalie oft höher liegt als auf dem südlichen, schwankt sie auch da zwischen 2900 und 35OO Metern. Wie schon erwähnt, beginnt die Grenze des ewigen Schnees auf dem Ararat, dank dessen isolierter Lage und seiner vulkanischen Natur, erst in einer Höhe von 4000 Metern.

Ganz natürlich ist es auch daher, daß die Vegetation daselbst viel höher hinaufreicht als in den Alpen. Der Militärstraße von Georgien entlang findet man die Buche noch in einer Höhe von 2500 Metern; in derselben Höhe wächst auch noch die Gerste, während man in einer Höhe von 1000 Metern noch den Weinstock findet. Die besten Gewächse von Kakhetie finden sich in einer Höhe von 750 Metern in dem Thale von Alasan.

Die verschiedenartigen Kulturen von Transkaukasien sind wiederholt erwähnt worden, weshalb darauf nicht mehr zurückgekommen zu werden braucht. Nicht vergessen darf aber der Maulbeerbaum und die Zucht der Seidenraupen werden, weil diese Beschäftigung bedeutend ist. Transkaukasien führt jährlich wenigstens 400000 Kilogramm roher Seide aus.

Die Bergwerke, die sich zuweilen finden, könnten großartige Erträge abwerfen; aber mit Ausnahme der Steinkohlengruben in Tkwibuli und einiger anderer Bergwerke in der Umgegend von Tiflis und Elisabethpol ist kein einziges im Betrieb.

Was die Menschen und ihre Beschäftigung angeht, so kann ich natürlich über die Russen und ihre Thätigkeit im Kaukasus kein streng wissenschaftliches Urteil abgeben. Hier werden lediglich die Eindrücke eines Reisenden wiedergegeben, der mit seinen eigenen Augen verschiedene Systeme gesehen hat, der aber auch zugleich gesucht hat zu beobachten und sich von den Gegensätzen Rechenschaft zu geben. Um diese Eindrücke zu ordnen, muß man verallgemeinern, und dies ist schwer, wenn man Mißgriffe vermeiden will. Ich beschränke mich deshalb lediglich auf das Mitteilen der bloßen Thatsachen und überlasse dem Leser die Kritik.

Sicherlich ist die gegenwärtige Lage Transkaukasiens derjenigen unter seinen eingeborenen Fürsten weit vorzuziehen; das Leben der Bewohner ist sicher,[1] die Rechtspflege geordnet, Erpressungen kommen selten vor.

Man könnte freilich noch viel mehr erwarten seit der Besitzergreifung durch Rußland und muß auch zugleich staunen, daß so manche Erwerbsquellen des Landes nicht benutzt werden.

  1. Das Leben ist sicher, d. h. im allgemeinen; denn es finden sich auch noch Räuberbanden, die sogar lange Zeit ihr Handwerk ungestraft ausüben. Kerim, dessen später noch Erwähnung geschehen wird, hat das Land mehrere Jahre beherrscht. Im November 1890 ließ eine Räuberbande sogar einen Eisenbahnzug zwischen Tuas und Dsegan entgleisen, plünderte die Reisenden und tötete mehrere.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)