Seite:Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen.pdf/68

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er einen großen Bogen, dessen Scheitel bei Ortubad liegt. Unterhalb Ortubad durchbricht er die Kette des Karabagh und windet sich durch mehrere schauerliche Engpässe. Dabei fällt er auf einer Strecke von weniger als hundert Kilometer doch über neunhundert Meter. In dem kleinen Kaukasus haben fast alle Flüsse auf den hohen Plateaux einen ruhigen Lauf und werden erst dann reißend, wenn sie von den Plateaux den Ebenen zufließen.

Nach einem Laufe von ungefähr 780 Kilometern nimmt der Aras die Kura auf. Es ist nach der Hypothese Baers möglich, daß er sich in einer noch nicht allzuweit entfernt liegenden Periode direkt in das Kaspische Meer ergoß. Auch jetzt soll er, wie man erzählt, zuweilen versuchen, sich mehr nach rechts zu wenden und sich von der Kura zu trennen.

Der Aras bildet die Grenze zwischen Rußland und Persien auf dem ganzen Laufe, wo er den erwähnten großen Bogen bildet, also vom Ararat bis zu seinem Eintritt in die Steppe von Mughan.

Das Thal des Aras wäre an den meisten Stellen sehr fruchtbar, wenn es bewässert würde. Aber die Bewässerungsarbeiten vergangener Jahrhunderte, die ehemals so berühmt waren, sind ungefähr gänzlich zerstört. Die Armenier scheinen ebenso schlechte Landwirte zu sein, als sie geschickte Handelsleute sind, und die anwesenden Tartaren sind zu faul, um irgend etwas Schwieriges zu unternehmen.

Ohne die nötige Bewässerung kann aber in diesem Klima nichts wachsen. Da, wo Kanäle dem Lande Wasser zuführen, befinden sich richtige Oasen, sonst aber nichts als Wüsten. Die Perser haben den meisten Kanälen einen unterirdischen Lauf gegeben, um die zu starke Verdunstung des so wertvollen Wassers zu verhindern.

Bäume giebt es wenig; bloß in der Umgebung der Dörfer werden sie angetroffen und dann aber auch nie wildwachsend. Die pyramidenförmige Pappel herrscht in der ganzen Landschaft vor. Man pflanzt sie in Reihen, damit sie den Stürmen Trotz bieten. In den Gärten wachsen Aprikosenbäume; die Landleute bauen Reis, Sesam und Ricinus. Der Ricinusstrauch, der schöne Formen zeigt, liefert in diesen Ländern das Brennöl. Von dem Olbönd, der nach Reclus in dem Becken des Aras häufig vorkommen soll, erinnere ich mich nicht ein einziges Exemplar gesehen zu haben. – Die Kultur der Baumwolle ist ebenfalls weit verbreitet, aber die Pflanzen selbst haben ein erbärmliches Aussehen.

Die Weinstöcke bringen einen ausgezeichneten goldgelben Wein hervor, der mit Madeira oder Xeres recht gut einen Vergleich aushalten kann. Die besten Lagen sind die von Eriwan und Etschmiadsin, die auch dafür weit und breit bekannt sind. Aber die Pflege des Weinstocks bereitet große Arbeit; während der strengen Winterkälte muß er mit Erde bedeckt werden, damit er nicht erfriert, und im Sommer muß er wie überhaupt alle Kulturpflanzen der dortigen Gegend begossen werden.

Am Ende Eriwans sind alle Wohnungen aus Stampferde ausgeführt. Da man sich um die Instandhaltung derselben aber wenig Mühe giebt, so ist es unvermeidlich, daß dieselben Ruinen ähnlich sehen. Es ist verhältnismäßig leicht, eine Hütte aus Stampferde aufzuführen; deshalb scheint es auch, daß die Einwohner es vorziehen, ihre Hütten ruhig zerfallen zu lassen, als sich mit der Unterhaltung derselben zu bemühen. Dies ist überhaupt ein charakteristischer Zug des Orientalen.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)