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Unter unsern Einkäufen war eines der nützlichsten Dinge ein Schlauch aus Schaffell, der mit einem vortrefflichen Wein von Kakhetie gefüllt war. Diesen Wein gebrauchten wir zu verschiedenen Zwecken: teils um das ungesunde Wasser damit zu vermischen, teils um uns nach großen Anstrengungen zu stärken, stets aber leistete er uns die ausgezeichnetesten Dienste. Ein kleinerer Schlauch war mit Wudky gefüllt. Dieser Kornschnaps bildet eines der beliebtesten Getränke in Rußland.

Die Keller, wo wir diese Einkäufe machten, sind sehr merkwürdig, denn nirgendwo befindet sich eine Spur von Fässern. Aber längs der Mauern hängt eine lange Reihe von Schläuchen aus Büffelfellen in allen möglichen Größen, die den köstlichen Stoff enthalten, der übrigens hier nach dem Gewichte verkauft wird.

In dem Bazarviertel findet sich auch die georgische Sions-Kathedrale. Die erste Restauration derselben fällt in das sechste Jahrhundert; aber von der alten Kathedrale sind nur mehr die Erinnerung und einige Steine übrig geblieben. Im zwölften Jahrhundert beraubte Dschelal-ed-din die Kirche ihrer Kuppel und ließ eine Luftbrücke über das Dach der Kirche anbringen, um sich das Vergnügen zu bereiten, eine christliche Kirche nach Belieben unter seine Füße treten zu können. Das Äußere ist jetzt ganz mit schönen Bausteinen erneuert worden, die nach den Lagen verschiedene Farben haben. Die Kirche ist klein, aber im Innern reich geschmückt. Eine genauere Besichtigung war uns nicht möglich, da gerade feierlicher Gottesdienst darin stattfand.

Mein Reisegefährte Hyvernat hatte vernommen, daß sich in den Ruinen des alten Schlosses Seri-Samok (in dem Thale des Khram in der Umgebung von Tiflis) eine Keilinschrift befinden solle. In der Geschichte des Königreichs Georgien spielte dieses Thal eine bedeutende Rolle. Nachdem die Turanier unter die Herrschaft des Cyrus gekommen waren, ließen sie sich hier als Bundesgenossen der Kartlier nieder. Ihre Anführer, die Orbulken oder Orbeliani, waren chinesischen Ursprungs und wohnten in Orpeth am Khram. Sie waren lange Zeit die mächtigsten Herren von Kartlis und hatten den größten Teil Georgiens unter ihrer Herrschaft. Die Mehrzahl der Ruinen in dem Thale des Khram, unter andern auch das in Rede stehende Schloß, sind die Überreste ihrer alten Besitzungen. Der Ausflug wurde beschlossen; unser Führer war ein Pole, dessen Bekanntschaft wir auf der Eisenbahn gemacht hatten, so eine Art Industrieritter.

Von Tiflis bis zu der Ebene des Khram durchlief unser Weg eine wellenförmige Steppe, wo wir ab und zu kleine Seen antrafen. Um ein Unterkommen zu finden, mußten wir mehrere Werste zurückkehren und fanden schließlich ein Nachtlager in der Mühle von Mamai. Am folgenden Tage mußten wir stundenlang zwischen tiefen Bewässerungsgräben umherfahren. Das ganze Land ist von Tartaren bewohnt, die durch diese Gräben ihre Felder bewässern zum Anbau der Wassermelonen. Von ihren Häusern erheben sich bloß die Dächer über die Erde; die Häuser selbst sind nichts anderes als in die Erde gewühlte Löcher. Da die Dörfer mit Bäumen umgeben sind, kommt es vor, daß man nicht eher etwas von einem Dorfe bemerkt, bis man dasselbe betritt. Die Frauen sind mit einem roten Rock bekleidet, auf dem sie eine blaue Bluse tragen. Ein schmalkrämpiger Hut vervollständigt ihren Anzug. Dazu beladen sie ihren Anzug mit der denkbar

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)