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keine Karawane wagt diesen Weg schon seit langer Zeit, und da die Araber in Unfrieden mit der Regierung leben, so sind die einsamen Reisenden großen Gefahren ausgesetzt. Es blieb uns nur ein Weg übrig: wir mußten nach Basra kommen und uns dort auf einem englischen Packboot einschiffen, das nach Indien fuhr und uns dann nach Suez brachte; abgesehen von der Sicherheit, deren wir uns dann zu erfreuen hatten, hatten wir noch den Vorteil, daß wir Zeit sparten.

Jetzt mußten wir uns auch von Gegu trennen. Dieser brave Bandit war unser bester Freund geworden, und mit bewegtem Herzen sagten wir ihm Lebewohl. Wir belohnten ihm seine Verdienste reichlich; wenn er nach einer langen Reise durch das persische Kurdistan wieder in sein Land kommt, kann er leben wie Agha von Tscharra.[1]

Aber Gegu, dieser echte Brigant und Verschwender, traut sich selbst nicht; er bat uns, das Geld den Missionen von Khosrawa zu schicken, da er fürchtete, nichts davon nach Hause zu bringen, wenn er es mitnähme. Wir verschafften uns also einen Wechsel auf Tebris und erklärten ihm, daß der Wechsel durch die Post noch vor ihm in Khosrawa ankommen würde.

Aber jetzt trat ein bezeichnender Zufall ein. Wir zeigten Gegu den Wechsel; kaum hatte er ihn in den Händen, als sich sein Gesicht verlängerte und er einige unverständliche Worte murmelte, aus denen aber etwas zu verstehen war, nämlich, daß er nicht befriedigt war. … Dieser ehrliche und ergebene Mensch wollte uns also doch ausbeuten! …

Da ging mir ein Licht auf und ich sagte zu Hyvernat: „Wir haben nicht klug gehandelt; wenn dieser Wechsel auch auf hunderttausend Francs lautete, so wäre er für Gegu doch nur ein Fetzen Papier, das für ihn keinen Piaster wert ist. Wenn wir ihn befriedigen wollen, müssen wir ihm ein Goldstück nach dem andern in die Hand zählen und in die andere den Wechsel geben. Dann wird er es verstehen.“

Wir thaten dieses und hatten guten Erfolg dabei. Noch nicht die Hälfte der für ihn bestimmten Goldstücke war in seiner Hand, als sich sein Antlitz erheiterte und er eben so munter wurde, als er vorher unzufrieden war. Nachdem er das Gold gesehen und gefühlt hatte, erhielt der Wechsel erst wirklichen Wert in den Augen Gegus.

Wir gaben ihm noch das Hellste unserer abgetragenen kriegerischen Kleidungsstücke und entließen sodann diesen unersetzlichen Reisegefährten, der uns ein wirklicher Freund geworden war, in aller Zufriedenheit.

Indem wir unsere Reisekoffer in Ordnung bringen wollten, erhielten wir noch eine Menge Besuche, von denen wir noch einige interessante Einzelheiten erfuhren.

Die Furchtkrankheit ist in Baghdad ebenso verbreitet wie in Mosul. In Baghdad wird sie Tezzat genannt. Die Symptome sind überall gleich: eine plötzliche Schwäche, große Appetitlosigkeit, ein Zerfallen und Zersetzen des Blutes. Auch die Europäer leiden darunter, aber doch nicht in dem Maße wie die Eingeborenen.

  1. Zu Beginn des Jahres 1891 starb der arme Kerl schon, der infolge seiner abenteuerlichen Expeditionen vor der Zeit gealtert war.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/352&oldid=- (Version vom 1.8.2018)