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Die Schule zerfällt in zwei Teile: eine dreiklassige Elementarschule und eine fünfklassige Mittelschule.

Diese vermittelt besonders den höhern Unterricht. Das Programm umfaßt: Das Studium der für das Land nötigen modernen Sprachen, nämlich Arabisch, Französisch, Englisch und Türkisch, der Mathematik und der Geographie.

Sobald es die Mittel gestatten, soll noch ein höherer Kursus folgen, worin Buchführung, Geometrie, Geschichte und dgl. gelehrt werden soll.

Abgesehen von den finanziellen Schwierigkeiten wird der Anstalt gerade von seiten der Eltern manches Hindernis in den Weg gelegt; denn sobald die Kinder imstande sind, einige Pfennige zu verdienen, nehmen die Eltern sie von der Schule weg.

Die Schule zählt 152 christliche und einige mohammedanische[1] Kinder. Die Schüler sind recht munter; der Direktor P. Polykarpus, ein Elsässer, veranstaltete uns zu Ehren eine litterarische Sitzung; und wirklich füllten die Darsteller, unbeschadet einer gewissen emphatischen Aufregung, ihre Rollen vollständig aus.

Die Musik-Kapelle der Schule, die viel zu dem Ansehen beigetragen hat, wetteifert mit der dortigen Militärmusik.

Ich muß noch hinzufügen, daß in der Schule alles unentgeltlich geschieht.

Fünf Karmeliterpatres leiten die Mission und die Schule, wobei sie von sieben Lehrern unterstützt werden. Die Arbeitskräfte stehen also in keinem günstigen Verhältnis zu der Summe von Arbeit, die bewältigt werden muß.

Mit dem Kloster der Karmeliter ist ein Kränzchen verbunden, das von den ehemaligen Schülern der Missionare rege besucht wird, wodurch es den Missionaren ermöglicht wird, ihren heilsamen Einfluß noch fortzusetzen.

Der Superior P. Maria Joseph, ein Gaskogner, ist ein unternehmungslustiger Mann, den nichts aufhält und nichts entmutigt. Als er vor mehr als dreißig Jahren in der Mission anlangte, war überall nichts als Armut und Elend zu sehen.

In kurzer Zeit war er das Hauptwerkzeug geworden, und er eignete sich die arabische Sprache dergestallt an, daß sogar die Mohammedaner zu seinen Predigten kamen, um sich an seiner Beredsamkeit zu ergötzen. Sogar mit den Mollahs hatte er öffentliche Diskussionen, die viel Aufsehen erregten. Nachdem er zum Superior ernannt worden war, sah er sich bald ohne Untergebene; denn Alter und Krankheit rissen einen Missionar nach dem andern weg. Er schickte einen Brief nach dem andern an den Ordensgeneral in Rom und beschwor ihn, ihm doch Leute zu schicken. „Ich habe keinen,“ war die Antwort, „wenn Sie Leute haben wollen, müssen Sie dieselben suchen kommen.“

  1. Man kann diese nur mit der allergrößten Vorsicht aufnehmen; in Bezug auf sie ist die Lage der Missionare beschwerlich; keine Propaganda ist möglich, da ein Mohammedaner, der gläubig wird, sein Leben auf das Spiel setzt, und eine solche Bekehrung auch zugleich das Todeszeichen der Mission werden würde. Ein Türke, der sich bekehren will, ist gezwungen auszuwandern und die Bekehrung da vorzunehmen, wo er ganz unbekannt ist. Die Mission hat den dortigen Christen gegenüber zu große Pflichten, als daß sie ihre ganze Existenz durch die Ausbreitung des Glaubens unter den Mohammedanern auf das Spiel setzten sollte; zudem kann man sich von einer Bekehrung der Mohammedaner infolge mancherlei Umstände doch nicht viele Früchte versprechen, und die Folgen würden zu schrecklich sein.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/347&oldid=- (Version vom 1.8.2018)