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Unheil über die Stadt durch Timurlang. Kein hervorragender Einwohner wurde verschont; als das schreckliche Gemetzel zu Ende war, ließ der Eroberer die Köpfe seiner 90000 Schlachtopfer sammeln und errichtete davon turmartige Siegeszeichen.

Nichtsdestoweniger entstand Baghdad von neuem, aber nur langsam; bald wurde es der Zankapfel zwischen Persien und der Türkei, bis letztere es endgültig im Jahre 1638 in Besitz nahm.

Die türkische Herrschaft bestand indes lange Zeit nur dem Namen nach. Das Paschalik von Baghdad, das sich von Basra bis Orfah, und von Scheikresur bis Babylon erstreckte, umfaßte ein großes, fruchtbares Gebiet. Da der Pascha an der äußersten Grenze des türkischen Reiches wohnte, so konnte er auch von der Hohen Pforte nicht viel kontrolliert werden; dadurch aber, daß er ein Heer von 50000 Mann ins Feld schicken konnte, war er ein gefährlicher Vasall. Seine Abhängigkeit von der Türkei kümmerte ihn nicht viel; ja er ging sogar so weit und nahm den Titel eines Khalifen an. Die Pforte hatte nur ein Mittel, die zu gefährlichen Paschas im Zaume zu halten: Dolch oder Gift.

Baghdad ist erst gänzlich türkisch geworden – politisch gesprochen – vor ungefähr vierzig Jahren durch die Zerstückelung des Paschaliks.

Vor der türkischen Eroberung zählte die Stadt kaum 15000 Einwohner. Im Jahre 1850 betrug sie aber 150000; aber im Jahre 1831 raffte die Cholera in weniger als sechs Monaten beinahe zwei Drittel der Einwohner hinweg.

Gegenwärtig schätzt man die Bevölkerung Baghdads auf 100000 Seelen, darunter 20000 Juden und 3000 (?) Christen.[1]

Die Straßen sind, wie gewöhnlich im Oriente, unregelmäßig und eng; dagegen haben die Bazars mit ihren schönen, gewölbten Avenuen ein großartiges Aussehen. Leider scheint auch hier das Schicksal des Orientes sich schon bemerkbar zu machen, denn eine sehr große Zahl Verkaufshallen war leer.

  1. Im Jahre 1839 richtete die Cholera wieder große Verheerungen in Baghdad an. Die Christen, die so vorsichtig gewesen waren, die Stadt zu verlassen und in der Wüste zu kampieren, verloren ungefähr hundert Mann an der Seuche. In Basra und Killeh hat die Seuche noch schrecklicher gewütet.
    Nachstehende Ziffern geben ein Bild, wie die meisten Schälzungen im Oriente vorgenommen werden. Für Baghdad nahm ich eine Bevölkerungszahl von 100000 an nach den Angaben eines Vornehmen. Élisée Reclus (Géog. IX. 439) schätzt die Bevölkerung Baghdads auf 50000 Menschen. Endlich lieferte mir ein Statistiker aus Baghdad noch folgende Zahlen:

    Mohammedaner 176000
    Israeliten 47000
    Katholische Christen
          1) Lateiner 600
          2) Chaldäer 1500
          3) Syrer 1200
          4) Griechen und Armenier 1000
          zusammen 4300
    Gregorianische Armenier 2300
    Griechen, Protestanten etc. 200
    Summe 230000

    Dieser Statistiker bemerkte jedoch, daß diese Zahlen nur annähernd richtig seien, da eine eigentliche Volkszählung niemals stattgefunden habe.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/345&oldid=- (Version vom 1.8.2018)