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Um unsern Besuch angenehm zu gestalten, hatten die ungastlichen und fanatischen Einwohner ganze Banden von Straßenjungen aufgehetzt, die uns unaufhörlich mit ihrem Geschimpf und Gespött verfolgten.

Tekrit war früher eine bedeutende Stadt und ist in den Jahrbüchern der chaldäischen Christen berühmt. Heute noch sieht man auf der Spitze der Stadt Ruinen von Kirchen, und eine Moschee steht an Stelle einer christlichen Basilika, die den „vierzig Martyrern“ geheiligt war. Sie wurden unter Sapor gemartert, wie es auch die Geschichtsschreiber erzählen. Maruthas war Bischof von Tekrit; selbst die Mohammedaner ehren noch heute ihr Andenken. Dieser Bischof Maruthas sammelte eine so große Zahl Reliquien von Martyrern (die meisten derselben waren Perser), daß Tekrit eine Zeit lang Martyropolis hieß.[1]

Später hatte Tekrit die Ehre, dem schrecklichen Saladin das leben zu geben.

Heute teilt die Stadt das Los der meisten türkischen Städte, nämlich des Verfalles, unser Kellekdschi erzählte, daß es in Tekrit 1200 Häuser gebe, wonach sich die Bevölkerung auf 8000 bis 10000 Seelen belaufen wird.

Samarra.

Die Einwohner Tekrits genießen außer ihrer bekannten Böswilligkeit auch noch den Ruf, die schlimmsten Diebe der ganzen Gegend zu sein, weshalb der Zabtieh uns beschwor, nicht an dem Ufer zu übernachten. Da wir auch keine Lust hatten, ausgeplündert zu werden, so folgten wir seinem Rate.

Vorher wollte ich noch die günstige Lage des Gestades benützen, um unsern Kellek zu photographieren. Anfangs verzweifelte ich fast an dem Gelingen, denn eine ganze Schar Araber, der eine Teil aus Neugier, der andere aber in böswilliger Absicht, drängte sich um mich herum, alles berührend und umstoßend. Um sie zurückzudrängen, mußten wir schließlich ganz ernsthaft drohen.

Ein wenig später verließen wir das Diebesnest.

Die Nacht versprach sehr klar zu werden, und da unterhalb Tekrit der Tigris viel ruhiger wird, so hatten wir den Nutzen davon, daß wir ohne Unterbrechung bis Samarra fahren konnten.

Gegen neun Uhr des Abends stießen wir wieder mitten im Flusse auf eine Sandbank, doch gelang es unsern Fährleuten, den Kellek bald wieder flott zu machen.

  1. Prop. de la Foi III. 138.
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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/333&oldid=- (Version vom 1.8.2018)