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Neben der Druckerei ist das bedeutendste Werk das syrisch-chaldäische Seminar.

Da die Gläubigen über eine große Strecke zerstreut und arm sind, so ist es den Bischöfen, die selbst kaum etwas zum Leben haben, nicht möglich, etwas für die Heranziehung der Priester zu thun. Wenn früher der Bischof einen Priester notwendig hatte, so wählte er sich dazu einen verheirateten Handwerker, der einen guten Ruf hatte. Dieser wurde einige Wochen im Messelesen unterwiesen, dann geweiht und darnach sich selbst überlassen. Da er weiter kein Einkommen hatte, mußte er sehen, wie er durchkam.[1] Dieses System war außerordentlich reformbedürftig. Das Seminar, in dem bei unserer Anwesenheit zweiunddreißig junge Leute ihre Studien machten, ist auf dem besten Wege, diese Reform vorzunehmen und hat bis jetzt außerordentlich befriedigende Resultate zu verzeichnen.

Der chaldaische Patriarch hat seinerseits in Mosul ein ausschließlich chaldäisches Seminar gegründet, eine Nachahmung des Seminars der Missionare; die Studien daselbst sind aber beschränkter.

Ich übergehe verschiedene andere Werke; wer sich dafür interessiert, findet weitere Mitteilungen in dem Bericht des P. Duval.

Eine Mission ist nicht vollständig ohne eine Kongregation von Ordensschwestern, die sich für andere aufopfern und durch ihr Beispiel zu den Herzen der Mitmenschen sprechen. Die Schwestern der Darstellung von Tours erfüllen dieses Werk in Mosul. Waisenhaus, Mädchenschule, Spital, Kleinkinderschule, Apotheke, das ist so einiges, was die Thätigkeit der Schwestern in Anspruch nimmt.

Während unseres Aufenthaltes in Mosul sahen wir die Schulen der Mission in ihrem schönsten Festtagsstaat. Der Wali kam zum Besuch. Dieser Besuch ist ein Ereignis. Der Wali ist ein strenger Mohammedaner, und als solcher verachtet er die Christen; deshalb hatte er auch noch nie die Mission betreten. Aber vor einiger Zeit hatte eine Intrigue beim Hofe des Sultans die Entlassung des Wali veranlaßt; der französische Konsul bemühte sich zu Gunsten des Wali, und die Entlassung wurde rückgängig gemacht. Da der Wali dieses Glück einem Christen verdankte, glaubte er wohl daran zu thun, wenn er den Christen durch diesen Besuch ein öffentliches Zeugnis seiner Achtung gab.

Er wurde durch die Musik der Mission empfangen und besuchte alles, Druckerei und Schulen. Die Knaben und Mädchen lasen ihm nach einander eine Glückwunschadresse vor.

Fahid Pascha spricht sonst gewöhnlich die arabische Sprache; aber da die türkische Sprache die Amtssprache ist, so mußte er sich dieser in seiner Antwort bedienen. Freilich spricht er das Türkische ziemlich schlecht, und Sioufi mußte jeden Satz übersetzen.

In der Kleinkinderschule waren die Kleinen mit den buntesten Sachen bekleidet; die Mädchenschule war in sehr malerischen Gruppen aufgestellt. Alle trugen ihre schönsten Kolliers von Kleinodien oder einfache, alte Münzen zu einer Kette aufgereiht, ihre schönsten Armbänder und Diademe; sie konnten sich nicht rühren, ohne ein Konzert zu veranstalten, dessen Harmonie ich besingen würde, wenn ich

  1. Mgr. Coupperie, Prop. de la Foi V 260.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/312&oldid=- (Version vom 1.8.2018)