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Einundzwanzigstes Kapitel.
Mosul. Die Stadt. Die Christen des Orients. Die Mission der Dominikaner.
Der Schnee in Mosul. Die Stadt. Der Nagel von Mosul; die Brücke. Historisches über Mosul. Wichtigkeit seiner geographischen Lage. Ruinen von Ninive; Kujundschik; Nebi-Junes; die Ausgrabungen. Mosul in sozialer Hinsicht; der französische Konsul; Geschichte eines öffentlichen Gartens; der Wali; Monseigneur Benham Benin und die assyrische Kirche. Die chaldäische Kirche und ihre Geschichte. Das Schisma. Mellus. Die Christen des Orients; ihre Fehler und die Entschuldigungen dafür; unsere Ungerechtigkeit; Charakter der orientalischen Kirchen. Rolle des Patriarchen. Die Dominikaner-Mission; ihre Geschichte. Die Buchdruckerkunst; das Seminar; Besuch beim Wali. Die Iwans. Das Weihnachtsfest.

Seit unserer Ankunft nahmen Besuche und Spaziergänge unsere Zeit so in Anspruch, daß wir von der großen Mission der Dominikaner, wo wir so gastlich aufgenommen wurden, fast gar nichts zu sehen bekamen.

Mosul ist für den Europäer eine Königin der Wüste, die letzte Etappe zwischen den abstoßenden kurdischen Bergen und den arabischen Ebenen; gewöhnlich denkt er dabei nur an Palmen, an eine glühende Sonne, an eine heiße, in der Sonne vibrierende Atmosphäre, während wir nur Schnee dort fanden ; bald wird die Sonne wieder siegreich ihre Rechte behaupten, und wenn der Sommer kommt, ist die Hitze schrecklich. Aber trotz alledem haben wir Mosul mit Schnee bedeckt gefunden.[1]

Die Stadt, zerfallen und zerrüttet wie alle Städte des Orients, hat indes doch noch immer ein königliches Aussehen behalten. Die letzten Ausläufer des Sindschar, die langsam am Tigris auslaufen, bilden ein natürliches Amphitheater, auf dem sich

  1. Während die Winter im Durchschnitt denen von Rom entsprechen (mittlere Temperatur 8.27° – aber die geringste Temperatur ist 6,78°), ist der Temperaturdurchschnitt im Sommer höher, als man ihn sonst an den meisten durch die große Hitze bekannten Orten antrifft (die mittlere Wärme beträgt 32.73°, in den heißen Monaten 35.67°; die größte Hitze 54.44°). Madras, Maracaïbo und Singapore haben als Wärmedurchschnitt im Sommer bloß 30° zu verzeichnen. Aboukeher erreicht 33,30° und Massouah 33.8°. Mosul bietet also wie Eriwan hinsichtlich des Klimas außerordentliche Abstände, wie sie sonst vielleicht nirgends vorkommen, während die mittlere jährliche Temperatur nicht viel höher steht, als man es sonst in den Gegenden von derselben Breite (36.25° nördl. Breite) antrifft. Vergl. auch Tehihatcheff, Asie Mineure II, 277.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/289&oldid=- (Version vom 11.12.2020)