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einer weiten Grotte. Das Haus ist in Form eines Rechtecks gebaut, dessen eine Längsseite weiter in den Berg hineingeht und auf diese Weise den Stall bildet.

Im Hintergrund der Grotte enthält ein Backtrog aus vulkanischem Stein einen Vorrat Mehl; zur Seite führt eine Treppe zu einer Plattform, die selbst zu geheimnisvollen Orten dringt, wohin wir nicht gelangen konnten. An den Seitenwänden der Grotte sind einige armselige Hausgeräte aufgestellt. Der Tandur nimmt die Mitte der Wohnung ein, und wir nahmen dicht bei demselben Platz. Das Gewölbe der Grotte bildet einen elliptischen Halbcylinder. Die Atmosphäre darin war warm, dumpf und reich an Düften.

Akhlat ist eines der ärmsten Dörfer, das wir bis dahin gesehen hatten. Die armenische Bevölkerung ist äußerst armselig. Junge Mädchen von fünfzehn Jahren laufen fast nackt umher; niemand konnte uns auch nur einige Nahrungsmittel liefern. Und dennoch liegt Akhlat in einer bevorzugten Gegend. Außerhalb der Schlucht, wo die Sonne im Winter kaum hineindringen kann, ist das Klima des Gebietes von Akhlat sehr mild. Die Gärten bringen berühmte Früchte hervor. Die Pfirsiche und die Äpfel erreichen eine bedeutende Größe und waren früher bis nach Aderbeidschan hin bekannt.[1]

Deyrolle, der mitten im Sommer das Plateau von Prkuz nach Akhlat durchwanderte, schreibt: „Nach einem kurzen Aufenthalt in Prkuz wandten wir uns gegen Akhlat und durchreisten eine sehr gut angebaute Hochebene, wo der Weizen so schön und so regelmäßig gesäet war, daß ich mich in einen der reichsten Orte der Beauce (heute Eure et Loire) in das Gebiet einer Ackerbauschule, mitten in eine vollkommene Landwirtschaft versetzt glaubte.“[2]

Was nützt aber einem Lande seine Fruchtbarkeit, wenn die Ernte, die heute vielleicht gut eingebracht wird, eine Reihe von Jahren hindurch regelmäßig eine Beute der Diebe wird? Seit der Reise Deyrolles haben kurdische Stämme Akhlat stets als Ziel ihrer Raubzüge betrachtet und die Bevölkerung dahin gebracht, daß sie nicht mehr anbaut, als was sie unbedingt zum Leben notwendig haben muß.

In geographischer Hinsicht reicht das in der Ecke des Sees gelegene Akhlat Bitlis, Musch und Melasgerd die Hand und könnte schon dadurch ein wichtiger Handelsplatz statt einer Wüste sein.

Auch hat Akhlat in dem Altertum bereits eine bedeutende Rolle gespielt.

Die Zeit seiner Gründung kann nicht angegeben werden; nur weiß man durch die Angaben der orientalischen Schriftsteller, daß es in dem armenischen Distrikte von Pesnuni (Deyrolle schreibt Kesnuris und Texier Pernuni) enthalten war. Der armenische Name war Khlat; aber der arabische und türkische ist Challat oder besser Akhlat.

Unter diesem Namen ist die Stadt am meisten bekannt; denn seine historische Entwickelung knüpft sich an die mohammedanischen Einwanderungen. Die Khalifen, deren Waffen bereits das kleine Armenien bis Malatiyeh unterjocht hatten, und die bereits in die mit dem Wansee in Verbindung stehenden Thäler vorgedrungen waren, bemächtigten sich Akhlats im neunten Jahrhundert.

  1. Barb, nach Scheref. Juliheft 1859. S. 18.
  2. Tour du monde XXX, 286.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/234&oldid=- (Version vom 1.8.2018)