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war leider verunglückt; denn in einem Lande, wo die Gesamtheit des Kulturverfahrens noch so primitiv ist, muß man damit beginnen, die notwendigsten, vorhandenen Instrumente zunächst zu verbessern. Statt dessen war man hier weiter gegangen, und eine aufgegebene Mähmaschine bezeugte den Mißerfolg des Unternehmens. Mag sie auch verderben, eine landwirtschaftliche Maschine im Herzen Armeniens ist doch ein Zeichen der Zeit, das gegründete Veranlassung giebt, für die Zukunft ein gutes Resultat zu hoffen, wenn neue Versuche besser vorbereitet werden.

Wan hat ein ausgezeichnetes Hochebenenklima. Von November an ist die Kälte schneidend; von Januar bis April bedeckt der Schnee fortwährend die Ebene. Der Himmel ist alsdann von einer bewundernswerten Reinheit, und das Thermometer fällt oft während der Nacht auf 25 Grad. Dank der Durchsichtigkeit der Atmosphäre hat die Sonne eine außerordentlich durchdringende Kraft, so daß selbst im Winter der Unterschied zwischen der Tages, und Nachttemperatur oft sehr bedeutend ist. Man sagt, daß diese Zeit die Zeit der Krankheiten sei.

Der Frühling folgt rasch auf den Winter, und drei Wochen nach letzterem beginnt sozusagen der Sommer, der übrigens sehr heiß ist.

Ein armenisches Sprichwort sagt, freilich nicht ohne Anflug von Stolz, aber doch mit einer gewissen Berechtigung: „Wan in dieser Welt, und in der andern das Paradies.“

Die eigentliche Stadt Wan liegt nicht an den Ufern des berühmten Sees, der heute ihren Namen trägt,[1] sondern ungefähr drei Kilometer von demselben entfernt.[2] Diese Vorsichtsmaßregel ist sehr gut, weil der See ein geschlossenes Bassin bildet und sein Niveau zeitweise verändert, wodurch die Ebene von Wan der Gefahr ausgesetzt ist, bei einem geringen Steigen des Niveaus zum größten Teile überschwemmt zu werden.

Die Thatsache dieser Schwankungen ist festgestellt; wir selbst fanden auf unserer Reise unverwerfliche Proben davon.

Die Erklärung davon zu geben hält aber sehr schwer. Die Leute der dortigen Gegend behaupten teilweise, daß beim Steigen des Wassers ein unterirdischer Wasserabfluß verstopft sei; ein anderer Teil meint, daß das Niveau des Sees in steter Bewegung sei, daß es sieben Jahre steige und darauf sieben Jahre falle, um wieder zu seiner ursprünglichen Höhe zurückzukehren.

Alles dieses scheint wohl Phantasterei zu sein; nachdem wir uns mit der Natur dieses geschlossenen Beckens vertraut gemacht hatten, kamen wir zu der Überzeugung, daß mit mehr Wahrscheinlichkeit die Schwankungen in der Niveauhöhe von atmosphärischen Bedingungen, von trockenen und nassen Jahren, abhängig seien. Da die ganze nördliche Küste vulkanischer Natur ist, könnte man, wenigstens für die Schwankungen in früheren Zeiten, denselben Grund annehmen, der auch an mehrern Orten Europas, wie z. B. in Pouzzoles, solche Erscheinungen hervorgebracht hat.

In jedem Falle scheinen die Schwankungen des Niveaus aber nur in mehr oder weniger unregelmäßigen Zwischenräumen zu erfolgen. Jaubert erzählt, daß{References}}{

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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/199&oldid=- (Version vom 22.12.2020)
  1. Der alte armenische Name ist Tosp, von woher der lateinische Name Thospitis stammt.
  2. Der Durchschnitt von 68 barometrischen Beobachtungen giebt die Höhe des Hauses der Dominikaner, das ungefähr sechs Kilometer vom See entfernt liegt, auf 1705 Meter Höhe an.