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sei lediglich aus dem Grunde erfolgt, weil er in Beziehung zu Leuten gestanden, die bei einer ordentlichen Justizpflege einfach verdient hatten, gehängt zu werden, deren Angelegenheiten übrigens so schlecht waren, daß der französische Gesandte, der sonst die Interessen seiner Landsleute mit wahrer Eifersucht vertrat, sich nicht hineinmischen wollte. Es war nicht zum Verwundern, daß diese Lügen Eindruck auf Nathanael machten und er ihnen teilweise Glauben schenkte.

Trotz alledem kann ich nicht umhin, die Berechnung zu bewundern, auf die der Vekil seine Schurkerei gründete. Durch seine Brutalität wollte er Nathanael einschüchtern und ihn durch seine Erzählung gegen uns aufhetzen, und durch die Verbindung dieser beiden Eindrücke wollte er ihn dann veranlassen, irgend etwas von uns zu erzählen, auf Grund dessen man gegen uns vorgehen konnte. Und sehr wahrscheinlich war es für uns ein großes Glück, daß der Vekil bei Nathanael keinen Erfolg erzielte, denn die Türken haben nicht viel Beweise nötig, um die schlimmsten Konsequenzen zu ziehen.

8. November.

Heute kehrte der Wali von Wan von seiner Reise in der Provinz Hakkiari zurück. Sein Empfang entsprach der armenischen Geschmacklosigkeit; was aber noch schändlicher war, ist der Umstand, daß der englische Konsul, der den Wali nicht einmal persönlich kannte, auf den Befehl seiner Regierung sich unter die Menge mischen und außerhalb der Stadt zwei Stunden im Schnee warten mußte, um imstande zu sein, im Namen seiner Regierung, die er vertrat, die Ehre seines Landes zu den Füßen eines einfachen türkischen Gouverneurs herabzuwürdigen, anstatt eine Gelegenheit abzuwarten, bei der er dem Wali seinen ersten Besuch machen konnte.

An demselben Morgen ließ Hyvernat seine Karte zum Wali tragen und ihn anfragen, zu welcher Stunde er uns empfangen wollte. Der Wali gab zur Antwort, daß er uns um ein Uhr im Konak, dem Bureau des Gouvernements, erwarte. Hywernat hatte aber fragen lassen, zu welcher Zeit er uns in seiner Wohnung empfangen wolle. Als wir im Konak ankamen, fanden wir den persischen Konsul daselbst, der uns einer langen Unterhaltung über nichtssagende Dinge würdigte.

Der Wali, Khalil Pascha, ist ein Mann von mittlerem Alter, von kleiner, untersetzter Statur; er sieht eher einem Europäer als einem Türken ähnlich, hat einen blonden Bart und blonde Haare, aber ein gemeines und falsches Aussehen. Er trägt einen sehr großen Fez, der ihm bis über die Ohren reicht, wodurch sein scheinheiliges Aussehen nur vermehrt wird. Khalil Pascha ist Gesandtschaftsattaché in Europa gewesen und spricht sehr gut französisch.

Es ist schwer, einen genauen Bericht über unsere Unterhaltung mit ihm zu geben, denn die Konversation bewegte sich nur stückweise. Der Wali entfaltete dabei die größte Unverschämtheit des Lügens mit der Brutalität eines schlecht erzogenen Menschen, der sich materiell stark fühlt und zu schaden sucht. Zuerst fragte er uns, ob unsere Reise fortfahre, gut zu sein. Wir erwiderten ihm darauf, daß wir die verlängerte Abwesenheit seiner werten Person bedauerten, da uns andernfalls manche Unannehmlichkeiten erspart worden wären.

Dann begann der Wali alle Abgeschmacktheiten des Vekils des Mutessarifs von Baschkala zu wiederholen. Als wir ihm entgegneten, daß wir auch noch bereit

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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/168&oldid=- (Version vom 1.8.2018)