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4. November.

Nach einem aufregenden Warten von drei Tagen kam wenigstens endlich ein Teil unserer Leute. Gegu kam und führte Huschannah und Lazarus bei sich; letzterer ist ein überzähliger Reisender, es ist der kleine Sakristan von Khosrawa. Er soll sich in das syrisch-chaldäische Seminar in Mosul begeben, weshalb ihn die Missionare uns anvertraut hatten. Huschannah ist eine junge Chaldäerin von Giey-Tapeh, die ich nach Europa bringen sollte, damit sie eine Beschäftigung erlernt.

Was unser Gepäck betrifft, so langte dieses auch an, ausgenommen die zwei Kisten, die in Baschkala mit einer Menge anderer Gegenstände zurückgehalten wurden.

Die kleine Karawane war drei Stunden hinter Baschkala festgehalten und das Gepäck auf der Stelle untersucht worden. Beim Anblick unserer Patronen wurden die Zollbeamten von Schrecken ergriffen. Nathanael wurde mit einem Ordonnanzposten in einem Zimmer eingeschlossen. Ein wenig später wurde die ganze Gesellschaft mit Gewalt nach Baschkala geführt, das gar nicht in ihrem Wege lag. Nathanael hatte unsern Rat befolgt und sich einen persischen Paß besorgt, aber im kritischen Augenblick beging er die Dummheit, seinen schlechten Paß zu zeigen. Von da an datieren auch all die schlimmen Geschichten, die er erdulden mußte. In Baschkala wurde das Gepäck von neuem untersucht. Es scheint, daß die klugen Zollbeamten bloß drei Packete mit photographischen Platten geöffnet haben; mein „Star-mill“ wurde auch für etwas Ähnliches angesehen und gab Veranlassung zu langen und tiefsinnigen Besprechungen.

Hywernat telegraphierte von neuem dem französischen Gesandten. Da wir erfahren hatten, daß der Gesandte einen Urlaub antreten würde, schöpften wir die Hoffnung, daß sein Vertreter die Sache weniger leicht nehmen würde.

5. November.

Bald meldete uns eine Depesche Nathanaels, daß er Tags vorher fünf Stunden im Gefängnis zugebracht hatte, und daß er nach seiner vorläufigen Entlassung den ganzen Tag Verhöre bestehen mußte. Als wir zum Telegraphenamt gehen wollten, um den Gesandten von dieser neuen Schandthat in Kenntnis zu setzen, fanden wir eine Depesche von dem Vertreter des Gesandten während dessen Urlaub. Der Vertreter, Herr Imbert, kündigte uns darin endlich den russichen Schutz an. Unsere Ahnungen hatten sich erfüllt. In derselben Zeit telegraphierte der russische Gesandte Nelidoff an das russische Konsulat, und Tags vorher soll der türkische Minister dem Wali telegraphiert haben.

Leider wurde ohne Zweifel die russische Gesandtschaft, die sich uns zu Anfang unseres Aufenthaltes in Wan so geneigt gezeigt hatte, durch den Undank, den sie von der französischen Gesandtschaft zu erdulden hatte, gekränkt; auch sie gab uns nur einen offiziösen Schutz.[1] Die Depesche war an den Konsul gerichtet. Sein Vertreter Scherifoff kam kaum dazu, sich die Depesche von Frau Kolubakin aushändigen zu lassen. Dies beunruhigte uns sehr, weil wir sahen, daß zwischen Scherifoff und dem Konsulat gespannte Beziehungen herrschten. In diesem Vorgehen erblickten wir ein Zeichen des Mißtrauens gegen Scherifoff und für uns eine Benachrichtigung. Wir wußten auch, daß er schon öfters einen Verweis erhalten und selbst gemaßregelt worden war, weil er der türkischen Regierung gegenüber zu viel

  1. Der offiziöse Schutz darf nicht mit dem amtlichen Schutz verwechselt werden, er ist gleichsam nur eine Empfehlung, ohne viel wert im Ernstfalle.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/166&oldid=- (Version vom 1.8.2018)