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Ein Besuch bei Munir Pascha, dem militärischen Kommandanten von Wan, brachte uns wieder in bessere Laune. Er war mit den Patres befreundet und empfing uns deshalb an der Kaserne auf angenehme Weise: er ließ uns zu Ehren die Regimentsmusik spielen. Ein Kritiker hätte vielleicht manches an der Musik zu tadeln gehabt. Aber in Wan kamen uns die von den Kurden gespielten Weisen herrlich vor. Man muß eben mit den Verhältnissen rechnen. Munir Pascha wird von seinen Soldaten fast angebetet.

14. Oktober.

Angesichts der Schwierigkeiten, die uns in Wan zurückhielten und die unüberwindlich zu werden schienen, berieten wir über die Möglichkeit, auf unsere Reise durch Persien zu verzichten; denn unsere Reise, die an sich schon beschwerlich genug war, ließ keinen weitern Aufschub zu. Der unfreiwillige Aufenthalt in Wan brachte uns schließlich dahin, daß wir mitten im Winter auf den Hochplateaus Persiens reisen mußten. Sollte es nicht besser sein, nachdem die verschiedenen Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt sind, wenn wir unsere Geschäfte in Wan besorgen und dann durch die kurdischen Berge Mosul zu erreichen suchen? In diesem Falle würde Kascha Isaak nach Khosrawa zurückkehren und Nathanael mit unserm sämtlichen Gepäck zu uns senden. Da eine Karawane persischer Kaufleute nach Salmas zurückkehrte, wurden wir bald dahin einig, daß Kascha Isaak die Karawane begleiten sollte, während wir auf Persien verzichteten.

15. Oktober.

Der gestrige Tag, ein Sonntag, verlief ganz mit dem Abstatten von Besuchen; es ist unglaublich, wie viel Kaffee wir dabei trinken mußten. Heute morgen haben die Kaufleute die Reise angetreten, und wir haben unsern diensteifrigen und praktischen Kascha verloren, der uns ein sehr angenehmer Reisegefährte gewesen war.

18. Oktober.

Drei Tage verbrachten wir mit völligem Nichtsthun. Auf die Depeschen Hyvernats antwortete der französische Gesandte, daß er uns keinen bessern Rat geben könne als den, die Briefe des Vezirs abzuwarten; von der russischen Protektion schwieg er wieder.

Der englische Konsul, Mr. Russell, lud uns zu einer Jagdpartie in der Richtung nach dem Erdscheck-See ein; das Ziel war ein großer Sumpf, der ungefähr zwei Wegestunden von Wan entfernt liegt. Hier wimmelt es von Enten, aber ohne Kähne und Hunde ist es unmöglich, ihnen beizukommen. Bei dem Essen stieß Kolubakin zu uns; nach einem vergnügt verbrachten Tag erreichten wir Wan bei dem schönsten Mondenschein.

15. Oktober.

Während dieses Ausfluges folgten uns stets Polizisten, die sich hinter den Felsen verborgen hielten. Wir erfuhren es durch ein Mitglied dieser ehrenwerten Gesellschaft, der – echt türkisch – es übernahm, im Auftrag der türkischen Verwaltung uns auszuspionieren und auch auf unsere Rechnung die türkische Verwaltung auszukundschaften. Ich muß sagen, so seltsam es auch klingen mag, daß er uns stets nett von den Anschlägen, die gegen uns geschmiedet wurden, unterrichtet hat. Er riet uns auch, auf unserer Hut zu sein, denn da Tabur Agassi von seinen Polizisten über unsern gestrigen Ausflug keinen günstigen Bericht (für sich) erhalten

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/160&oldid=- (Version vom 19.8.2019)