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Namen Baradost. Seine Gangart war ausgezeichnet, aber seine Faulheit außerordentlich. Infolgedes erhielt es von uns den Schimpfnamen „Djamuk“ (Büffel).

Ein wenig später überholten wir einen kleinen Trupp kurdischer Eseltreiber, die Weintrauben von Urmia nach der Türkei brachten. Sie ließen uns einige Pfund ab, die ein Extragericht für unser Mittagessen abgaben. Das Wetter war dumpf und bedeckt, der Himmel und das Thal bilden ein Gemälde, grau auf grau, schrecklich traurig und öde.

Der Weg biegt nach Südosten. An der Stelle, wo er nach der Karte von Kiepert sich nach Nord-Westen wendet, um Kuledere zu erreichen, verließen wir ihn und folgten einem andern, der mehr gebahnt zu sein schien; in südlicher Richtung erreichten wir den Paß, der das Becken von Urmia und das des großen Zab trennt.

Von dem Paß aus hat man eine herrliche Aussicht auf die schneebedeckten Berge des Hakkiari, des Herzens Kurdistans. Von hier aus kann man sich gut über die Erhebung des persischen Plateaus Rechenschaft geben. während wir, um den Paß zu erreichen, von Urmia aus im ganzen wenig gestiegen waren, öffneten sich vor uns tief eingeschnittene Thäler, die in den Bergen gigantische Spalten bilden und mit starkem Gefälle sich zu den Ebenen von Mesopotamien senken. Wir erreichten ein ödes Thal und kamen bald zu dem ersten Dorfe nach Basirka. Kiepert nennt es Sarai, aber die Leute der dortigen Gegend haben ihm den Namen Serdsch-Kaleh gegeben, da es wirklich mit einer kleinen Festung, die Kaleh heißt, gekrönt ist.

Ankunft 6 Uhr 50 Minuten abends.

Anderthalb Stunden später erreichten wir mit einbrechender Nacht Disa da, wohin Kiepert Serdsch-Kaleh verlegt. Kiepert bezeichnet Disa an einem andern Flüßchen, genau auf dem 42. Längegrad und südöstlich von dem wirklichen Disa. Disa ist gelegen an dem Zusammenfluß zweier Flüsse; der zur rechten Hand ist derjenige, dessen Laufe wir gefolgt sind; der zur linken scheint der bedeutendste Nebenfluß des Nehil-Tschaï zu sein und ist derjenige, an dessen Ufer Kiepert Disa verlegt, freilich achtundzwanzig Kilometer weiter stromaufwärts.

Disa liegt terrassenförmig um einen Hügel, der mit einer alten Zitadelle gekrönt ist, und bildet in dem Halbschatten des Abends ein malerisches Bild. Unser Eintritt in die Stadt war ergötzlich. Wir hatten Gegu gefragt, ob er Disa kenne, welche Frage er mit „Nein“ beantwortete. Aber von allen Seiten kamen Brigantenphysiognomien an uns heran und riefen ihm ganz familiär: „He, Gegu!“ zu. Wir verlangten Aufklärung von unserem Führer. „Vater!“ antwortete er lachend, „Schaudi Disa nicht kennen, aber“ – er begleitete diese Worte mit einer bezeichnenden Geberde – „Schaudi gut kennen die Gegend um Disa herum.“ In früheren Zeiten hatte der alte Räuber hier gekreuzt. Ein anderes Ereignis: Die Häuser sind an den Hügel angelehnt und zur Hälfte unterirdisch, und ihre Dächer sind ganz kahl wie der Boden. Bei der Dunkelheit machten unsere Pferde etliche Male unfreiwillige Spaziergänge auf den terrassenartigen Dächern zum großen Schrecken der Frauen.

Endlich langten wir bei dem chaldäischen Geistlichen an. Dieser, Kascha-Givergis mit Namen, ist ein Mönch aus dem Kloster von Rabban-Hormis. Der Empfang war wirklich patriarchalisch. Wir wohnten mit dem Pfarrer in einem Zimmer zusammen, das sehr reinlich und mit Teppichen geziert war. Kaum hatten

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Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/141&oldid=- (Version vom 1.8.2018)